: Lastwagenlobby auf Gegenkurs
Die Einführung der Autobahnmaut solle verschoben werden, fordert der Bundesverband Güterkraftverkehr. Das sei die übliche Boykotttaktik der Wirtschaft, kritisiert die Allianz pro Schiene. Schwierigkeiten bei der Lieferung der Bordcomputer
von HANNA GERSMANN
„Das hat Dosenformat“, erzürnte sich Dirk Flege, der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, gestern gegenüber der taz. Knapp fünf Wochen vor dem Start der Gebühr für Lastwagen auf deutschen Autobahnen fordert die Wirtschaft einen Aufschub – ähnlich wie weiland beim Dosenpfand. Patrick Thiele vom Deutschen Industrie- und Handelstag argumentierte: „Bis zum 31. August funktioniert das nicht, es gibt zu große technische Probleme, um täglich hunderttausende von Lkws erfassen zu können.“ Vor allem mangele es an den Bordcomputern, über die die Wege der Lastwagen automatisch erfasst und im Schnitt 12,4 Cent pro gefahrenem Autobahnkilometer abgerechnet werden.
Für Flege ist das schlicht eine „Verzögerungstaktik“. „Die Lkw-Lobby spielt ein doppeltes Spiel“, sagte er. Erst habe der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) „zu zivilem Ungehorsam, dem Boykott der Bordcomputer“ aufgerufen, nun klage er, es gebe nicht genug davon. Tatsächlich hatte der BGL im Herbst letzten Jahres seine 14.000 Mitglieder befragt, ob sie einen Boykott wollen, sagt ihr Sprecher Norbert Behrens. Dafür hätte es keine Mehrheit gegeben.
Ihre Unternehmer wollten die Bordcomputer, bekämen sie aber nicht, so Behrens. Nicht einmal einem Prozent der von ihnen vertretenen Spediteure hätte das Betreiberkonsortium Toll Collect einen Einbautermin zugesagt. Toll Collect, Tochter von DaimlerChrysler, Telekom und dem französischen Autobahnbetreiber Cofiroute, gibt hingegen an, 50.000 solcher Computer ausgeliefert zu haben. „Davon haben wir nichts gesehen“, entgegnet Speditionsfunktionär Behrens. Bis zum Start am 31. August hat der Mautbetreiber insgesamt 150.000 Bordcomputer zugesichert. Das Bundesverkehrsministerium hat aber bereits 250.000 und bis Jahresende 500.000 Stück gefordert.
Thiele und Behrens sind sich einig: Ohne die automatische Erfassung geht die Lkw-Maut nicht. Die von Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) für die Übergangsfrist genannten Alternativen seien nicht praktikabel. Müssten sich Brummifahrer beispielsweise erst an Tankstellen-Terminals einloggen, sei die Station „ruckzuck überfüllt, das Risiko von Auffahrunfällen hoch“.
Ob die Maut funktioniert oder nicht, entscheiden allerdings andere: Denn noch gibt es keine Betriebserlaubnis. Sie hängt von einem unabhängigen technischen Gutachten ab, das erst Mitte August vorliegen wird, räumt Stolpe-Sprecher Felix Stenschke ein. In jedem Fall starte die Maut aber am 31. August. Für eine Übergangszeit brauchen Mautmuffel danach erst mal nicht mit den Strafen von bis zu 20.000 Euro zu rechnen, heißt es im Verkehrsministerium.