hauptstadtfunktion : Mal wieder ein mieser Eindruck
Manchmal schämt man sich ja ein bisschen, Berliner oder Neu-Berliner zu sein: Wenn diese Metropole nach einem Sommertag mal wieder elend nach Hundescheiße riecht und lärmende Prolls die Straße erobern. Wenn es selbst in angeblich pulsierenden Zentren der Stadt bei Stoßzeiten so öde und leer aussieht wie in richtigen Hauptstädten anderer Länder noch nicht einmal um drei Uhr nachts. Vor allem aber, wenn die Spree-Politprominenz mal wieder von anderen Geld verlangt, anstatt die eigenen Sachen selber finanziert zu bekommen.
KOMMENTAR vonPHILIPP GESSLER
Jüngstes Beispiel: Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der vom Bund ab 2005 nicht nur jährlich 38,4 Millionen wie bisher, sondern 100 Millionen Euro für „polizeiliche Hauptstadtaufgaben“ fordert. Angeblich sind die „Belastungen im Sicherheitsbereich“ höher als erwartet, und schon dieses hässliche Bürokratendeutsch müsste den Bund eigentlich davon abhalten, mehr zu geben. Der Bund als Ausputzer – etwa im Kulturleben: Akademie der Künste, Jüdisches Museum, Stiftung Deutsche Kinemathek, Topographie des Terrors und so weiter. Wenn nicht Hilfe von außen kommt, scheitern die Projekte. Man hat sich halt verrechnet.
Und immer, wenn die Hauptstädter und ihre Spitzenkräfte in der Politik mal wieder den Mund zu voll genommen haben, verweisen sie darauf, dass das, was sie machen, doch eigentlich Bundesaufgabe sei, für die alle gemeinsam zu zahlen hätten. Das aber macht einen miesen Eindruck: Mit der Hauptstadtrolle protzen, sie aber nicht ausfüllen können. Im Vergleich dazu haben es die oft belächelten Bonner weiland ziemlich gut hingekriegt.
Berlin profitiert von der Hauptstadtfunktion, was offensichtlich und auch wissenschaftlich belegbar ist: Es muss dann auch bereit sein, die Belastungen dieser Rolle zu tragen. Nach dem Vater Bund zu schielen, der alles am Ende irgendwie ausbügelt, das kann nicht die Rolle eines stolzen Berlin sein. Man schämt sich nun mal nicht gern.