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Archiv-Artikel

„Es gibt keine rassistischen Gesänge“

Ralf Bednarek, der Leiter der HSV-Supporters, zum Thema Fremdenfeindlichkeit beim Fußball. Er glaubt, dass die Fans des Fußballklubs einen Querschnitt der Bevölkerung darstellen – auch in puncto Rechtsradikalismus

Herr Bednarek, beim Spiel gegen Bayern München wurden Nazi-Parolen gerufen und Dunkelhäutige beleidigt. Was waren das für Fans?

Ralf Bednarek: Wir sind bestürzt über diesen Vorfall. Eigentlich waren wir der Meinung, dass solche Dinge der Vergangenheit angehören. Wir wissen nicht, ob diese Leute irgendwas mit den Supporters zu tun haben. Grundsätzlich ist es so, dass die HSV-Fans einen Querschnitt der Bevölkerung darstellen, was das Einkommen anbelangt, die Bildung und eben auch, leider, politisch. Deshalb ist es so schwer, Rechtsradikalismus ganz aus dem Stadion raus zu halten.

Vor zwanzig Jahren gab es viele rechtsradikale HSV-Fans.

Ja. Damals gab es rechtsradikale Gruppierungen, die gibt es nicht mehr.

Seit wann?

Spätestens mit Eröffnung des neuen Stadions.

Wie sind sie die losgeworden?

Es gibt im Verein einen Konsens, dass wir das nicht wollen. Für uns gilt: Null Toleranz gegenüber solchen Geschichten. Als Verein haben wir über die Stadionordnung Einfluss auf alle, die ins Stadion gehen. Bestimmte Klamotten, etwa Thor Steinar, Schals mit rassistischen Aufschriften, sind verboten. Die Schals müssen beim Ordnungsdienst abgegeben werden, oder die Leute dürfen gar nicht ins Stadion.

Die verschwinden ja nicht, wo sind die hin?

Kann ich nicht sagen. Ende der Achtzigerjahre gab es bei uns in der Kurve um die 50 Glatzköpfe, die haben mich damals schon aufgeregt. Die ganze Kurve wurde mit denen identifiziert.

Ein paar sind noch da.

Man wird nicht verhindern können, dass die kommen. Für mich ist schlimm, dass der Erfolg unserer Arbeit mit zwei hauptamtlichen Fanbeauftragten durch so etwas überdeckt wird. Es gibt keine rassistischen Gesänge, Rufe, seit Monaten, seit Jahren nicht.

Der dunkelhäutige Ex-Footballspieler Campino Milligan wandte sich an einen Ordner, als er beleidigt und bedroht wurde. Dieser soll geantwortet haben: „Verpiss dich hier, du Sau, geh zurück in den Busch.“

Wir wissen, ich welchem Block das war, 28 C der Nordtribüne. Es wird berichtet, dass die Leute 1887-Mützen getragen haben. Der Verein recherchiert nach den Zuschauern. Es lässt sich auch herausfinden, wer dort für den Ordnungsdienst eingeteilt war.

Ordner, die mit Rechtsradikalen gemeinsame Sache machen?

Wenn die ein braunes Schaf in ihren Reihen haben, müssen sie sich schleunigst drum kümmern. Der Ordnungsdienst wurde um Stellungnahme gebeten.

Sie sind bei Auswärtsfahrten und bei Heimspielen. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht?

Wenn auf einer Auswärtsfahrt 800 Leute mitfahren, dann kommt es vor, dass von Einzelnen das U-Bahn-Lied gesungen wird. Ich hab’ erlebt, dass diese Leute sofort von anderen Fans unterbrochen werden: ,Hör auf mit dem Scheiß.‘ Da müssen wir gar nichts machen.

Wie bei Thimothée Atouba ging’s auch diesmal um die Hautfarbe.

Ja, bei Atouba waren es die Vips, die ihn beleidigt haben. Der Becherwerfer bekam ein zweijähriges Stadionverbot.

Wie wollen Sie denn auf Herrn Milligan zugehen, der Anzeige erstattet hat, von den Tätern eine Entschuldigung erwartet und nie mehr zum HSV gehen will?

Der HSV-Fanbeauftragte Mike Lorenz hat mit ihm telefoniert. Es macht keinen Sinn, Herrn Milligan von allen Seiten voll zu quatschen. Ich spreche gerne mit ihm, aber ich fürchte, das, was passiert ist, wieder gut zu machen, wird schwer.

INTERVIEW ROGER REPPLINGER

Fotohinweis:Ralf Bednarek, Jahrgang 1974, ist Abteilungsleiter der HSV-Fan-Organisation Supporters mit 46.000 Mitgliedern. F.: PRIVAT