: Ganz in Weiß und ohne Gegentore
Hertha BSC startet heute gegen Werder Bremen in die neue Bundesliga-Saison. Das Team hat sich verjüngt und landet laut Prognose irgendwo zwischen Platz 3 und 12
Die Ausgangslage: Hertha BSC startet heute in die Bundesliga-Saison. Die Berliner spielen um 15.30 Uhr im Olympiastadion gegen Werder Bremen. In der Saisonvorbereitung hat es der Meisterschaftsfünfte der Vorsaison tunlichst vermieden, die Karten auf den Tisch zu legen und etwa übereilig nach sommerfrischen Titeln zu streben. Denn immer, wenn Hertha BSC in den Vorjahren die klingonische Frisbeescheibe des Liga-Pokals in den Händen hielt, berauschte sich der Klub am Gewinn dieser nichtigen Trophäe und vernachlässigte die Konzentration auf das Wesentliche: die deutsche Meisterschaft mit dem „Salatschüssel“ geheißenen Titeltellerchen.
Der Plan: Hertha möchte zeigen, dass das Team einen Schritt nach vorn getan hat. Trainer Huub Stevens und das Management schielen auf Platz 3, was die Qualifikation für die Champions League bedeuten würde. Manch einer traut ihnen sogar ein hartes Rennen im Windschatten der Bayern zu. Aber das scheint verfrüht, da sich Hertha BSC zwar auf dem Weg der fortschreitenden Konsolidierung, besser gesagt, der grassierenden Huubisierung befindet. Doch ein Duell mit dem Prinzipal der Liga, den Bayern, die zuletzt mit 16 Punkten Vorsprung ins Ziel kamen, ist ziemlich utopisch und im Reich der marktschreierischen Muskelspiele anzusiedeln.
Der Kaiser-Tipp: Franz Beckenbauer, das Orakel aus den bayerischen Bergen, sagt: „Ich erwarte von Hertha sehr viel. Es wird Zeit, dass die Berliner ganz oben mitspielen.“ Das hat der Franz schön gesagt. Hertha-Manager Dieter Hoeneß wird sich gefreut haben über die Erwartungen des Kaisers.
Der Fan-Tipp: Weniger Freude dürfte beim Blick in die TV-Zeitschrift Bildwoche aufgekommen sein, deren Leser Hertha BSC nur auf Platz 7 sehen, mit läppischen 1 Prozent der Stimmen. Beim Wettbüro Intertops in Salzburg sieht das schon besser aus. Die Berliner rangieren mit einer Quote von 100:10 auf Platz 3 hinter München und Dortmund.
Der geheime Insider-Tipp: In der eigenen Prognose halten sich die Berliner sehr zurück. Auf einer Tabelle der Hertha-Internetseite, die in Ermangelung stattgefundener Spiele überall 0 Tore und 0 Punkte verbucht, platziert man den Verein nur auf Platz 12 – und die Reihung erfolgte keineswegs alphabetisch. Ein Fehler? Ein peinlicher Fauxpas? Oder doch die weise Voraussicht eines Hertha-Mitarbeiters?
Die Neuen: Allen voran steht Fredi Bobic, der nicht nur den härtesten Schuss aller Hertha-Feldspieler (129 Sachen) hat, sondern auch verbal gern mal in die Offensive geht. Kürzlich überraschte er mit dem Vorstoß, dass er gern Feuerwehrmann in New York werden möchte. Zuvor hat er aber noch einen Vertrag in Berlin zu erfüllen sowie die Erwartungen der ungeduldigen Fans, die Tore sehen wollen vom Neo-Nationalspieler mit dem schwungvollen Comeback. Es gibt nun mit dem von Hannover 96 gekommenen Bobic und dem aus Bielefeld geholten Artur Wichniarek ein solides Angebot von Stürmern. Zudem warten der torgehemmte Brasilianer Luizao und Nando Rafael an der Seitenlinie auf einen Einsatz. Und auch der talentierte Alexander Ludwig, erst 19 Jahre alt, dient sich als Alternative an. Alex Alves ist weg, aber das sollte dem Angriff nur noch mehr Stabilität verleihen. Als Ausputzer vor der Abwehr wurde Niko Kovac von den Bayern verpflichtet. Ein Mann, der weiß, was er zu tun hat. Gemeinsames Merkmal der Neuen: Sie sind ohne große Integrationszeit im Team heimisch geworden und beanspruchen Führungsaufgaben.
Das Trikot: Das Heimtrikot ist in königlichem Weiß gehalten, ganz so, wie es die Hedonisten der Branche, Real Madrid, zu tragen pflegen. Vielleicht will Hertha darauf verweisen, dass sie mehr Wert auf Ästhetik legen möchten. Das ist freilich in der Schule von Huub Stevens („Die Null muss stehen“) kaum zu glauben und somit als Marketinggag zu geißeln, der unter den Zuschauern nur falsche Erwartungen schürt.
Die Verjüngung: Die Alten sind weg. Wie sie allein hießen: Sverrisson, Preetz, Tretschok, Maas und Beinlich. Der Weg ist frei für die Jugend. Das Team muss nicht mehr den Spagat üben zwischen den Absolventen der Röber’schen Fußballakademie und jenen, die auf die Worte Stevens’ hören. Der holländische Coach kann nun nach eigenem Gusto formen und planen. Die Kicker Marx, Friedrich, Ludwig oder Nando stehen für den Generationswechsel.
Der Oberbrasilianer: Marcelinho wird nicht so stark dominieren, wie er das in der vergangenen Spielzeit getan hat. Er muss seinen Bewegungsradius verkleinern. Das tut nicht nur seiner Kondition und seiner Effektivität gut, sondern dürfte das ganze Team beleben. Also dann: Ein gutes Spiel. MARKUS VÖLKER