: Bloß keine Panik auf dem Kai
Hamburger Hafen erreichte im vorigen Jahr fast die Rekordmarke von 2007. Im Zeichen der Krise hält die Wirtschaft das für ein gutes Ergebnis. Prognosen für dieses Jahr allerdings wagt niemand
Außer den Universalhäfen Hamburg und Bremen / Bremerhaven gibt es in den Küstenländern eine Reihe kleinerer Häfen, die zumeist auf einzelne Gütersektoren spezialisiert sind. Deutschlands größter Ostseehafen Lübeck (Container und Papier) schlug 2008 mit 31,7 Millionen Tonnen etwas weniger um als im Jahr davor mit 32,6 Millionen Tonnen. Demgegenüber steigerte Rostock (Öl) seinen Umschlag leicht auf 27,1 Millionen Tonnen und Wismar (Holz) auf 3,4 Millionen Tonnen. Leichte Rückgänge auf 4,9 Millionen Tonnen musste Kiel hinnehmen. Zweitgrößter Hafen Schleswig-Holsteins bleibt Brunsbüttel an Elbe und Nord-Ostsee-Kanal mit 9,8 Millionen Tonnen. Erneute Rückgänge mussten die niedersächsischen Häfen im vierten Jahr in Folge hinnehmen. 2008 fiel der Umschlag mit 62,1 Millionen Tonnen auf das niedrigste Niveau seit 2002. Der mit Abstand größte Hafen bleibt trotz eines Rückganges um rund sechs Prozent Wilhelmshaven (Kohle, Öl, Container) mit 40,4 Millionen Tonnen. Mit weitem Abstand folgen Brake / Unterweser (5,7 Mio. t, + 7,0%), Stade / Elbe (5,4 Mio. t, - 7,0%) und Emden (4,4 Mio. t, + 7,0%). Emden bleibt mit mehr als einer Million verschiffter Fahrzeuge der drittgrößte Im- und Exporthafen für Autos in Europa. Verluste von fast acht Prozent weist Nordenham (3,6 Mio. t) auf, Cuxhaven an der Elbmündung legte hingegen um knapp sieben Prozent auf 2,1 Millionen Tonnen zu. Hauptgrund ist die Spezialisierung auf eine Zukunftstechnologie: die Verschiffung von Windkraftanlagen. SMV
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Das nur zweitbeste Jahresergebnis in der Geschichte des Hamburger Hafens „ist kein Grund zur Panik“, beruhigt Jürgen Sorgenfrei. Zumal der Rekord im Gesamtumschlag von 2007 im letzten Jahr um lediglich 6.000 Tonnen unterschritten wurde: „Das ist die halbe Ladung eines kleinen Feederschiffes“, zeigt der Vorstandschef von Hafen Hamburg Marketing die Relationen auf.
Wenn so die Weltwirtschaftskrise aussieht, das schimmert am Donnerstag bei der Jahresbilanz im gläsernen 20. Stock des Atlantic Tower hoch über den St. Pauli Landungsbrücken zwischen seinen Sätzen hindurch, könne die Hafenwirtschaft damit leben. Zumal „sich gerade der Nebel auflöst und die Sonne durchkommt“, wie Sorgenfreis Vorstandskollegin Claudia Roller freudig verkündet.
Gar so licht ist die Wirklichkeit aber nicht. Mit einem Minus beim Containerumschlag von 10,3 Prozent im vierten Quartal 2008 ist der Rückgang in der Weltwirtschaft gerade erst im Hafen angekommen, die ersten drei Quartale hatten noch Wachstum aufgewiesen. Letztlich sind es rund 150.000 Blechkisten weniger gewesen als 2007, weshalb der Traum von der Zehn-Millionen-Schallgrenze weiter geträumt werden muss. Gut 9,7 Millionen Container in 2008 gegenüber knapp 9,9 Millionen in 2007 lauten nun die nüchternen Zahlen.
Und weil es auch noch Güter gibt, die nicht in Containern transportiert werden, verzeichnet der Hamburger Hafen in diesen Sektoren eine rote Null. Mit 140,4 Millionen Tonnen wurde das Rekordergebnis des Jahres 2007 eingestellt, das leichte Minus zeigt sich erst in der dritten Stelle hinterm Komma.
Einem leichten Rückgang um 0,8 Prozent beim Stückgut – vor allem Autos, Lokomotiven und Windkraftanlagen – steht ein Plus von 1,8 Prozent beim Massengut – Getreide, Futtermittel, Kohle, Erz, Mineralöl und anderes – gegenüber. Damit sei unter dem Strich „ein sehr gutes Ergebnis erreicht worden“, verkündete Sorgenfrei.
Nicht wirklich beruhigend sind die Bilanzen des zweitgrößten deutschen Seehafens. In Bremen und Bremerhaven beginnt der Rückgang im Umschlag erst jetzt, dafür aber offenbar stärker als an der Elbe. Auf dem Autoterminal Bremerhaven sank die Zahl der im- oder exportierten Fahrzeuge im Januar im Vergleich zum Vorjahr um rund 40 Prozent, teilte Hafenbetreiber BLG Logistics Group mit. Im ersten Quartal 2009 werde mit einem Minus von 25 Prozent gerechnet.
Auch das Containergeschäft liegt nach Angaben des Umschlagsunternehmens Eurogate unter dem Vorjahresniveau. Eurogate hatte 2008 in Bremerhaven rund 5,5 Millionen Container umgeschlagen. Mit einem Zuwachs um 12,5 Prozent wurde diese Rekordmarke erreicht, die in diesem Jahr aber deutlich unterschritten zu werden droht.
Sollte sich die Situation nicht merklich verbessern, müsse in Bremerhaven über Kurzarbeit im zweiten Halbjahr nachgedacht werden, sagte eine Sprecherin. Betriebsbedingte Kündigungen schließt Eurogate weiterhin aus. Zumeist rückläufig sind auch die Jahresergebnisse in den anderen deutschen Seehäfen (siehe Kasten).
Mittelfristige Prognosen über die Entwicklung des Welthandels mag derzeit niemand gern abgeben. „Wir fahren auf Sicht, die Unternehmen planen von Monat zu Monat“, sagte Sorgenfrei in Hamburg. Und Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) ergänzte: „Kein vernünftiger Mensch kann derzeit die weitere wirtschaftliche Entwicklung voraussagen.“
Abhängig ist das Wachstum des Hafens vor allem von den Exporten Chinas. Ein Drittel des Hamburger Containerumschlags wird mit China abgewickelt, weitere 20 Prozent mit ostasiatischen Staaten wie Japan, Südkorea und Singapur, ein weiteres Drittel nimmt der Handel mit Nord- und Osteuropa ein.
Und vor allem in China sind die jahrelang zweistelligen Wachstumsraten heftig eingebrochen. „Wenn es da rumpelt, spüren wir das hier sofort“, sagt Sorgenfrei. Die Hafenwirtschaft setze aber voller Hoffnung auf die Manager im Reich der Mitte: „Die Chinesen sind schnell“, weiß Sorgenfrei, „sie werden Hindernisse beiseite räumen.“ Und dann gehe es bald wieder aufwärts.
Gedaschko kündigte an, die Investitionen in die Hafen-Infrastruktur unvermindert fortzusetzen. „Selbstverständlich wird das Wachstum zurückkommen“, sagte der Wirtschaftssenator. „Wir wollen weiter Vollgas geben.“ Mit der Krise kommen zwar weniger Schiffe nach Hamburg, die die kommen werden aber immer größer. Damit werde die geplante Elbvertiefung noch dringender, glaubt er. Die niedersächsischen Deichverbände hätten mittlerweile keine Bedenken aus Küstenschutzgründen mehr gegen die Elbvertiefung, so dass Niedersachsen nun seine Zustimmung geben könnte.