: Wahlkampf mit den Füßen
Die NRW-SPD im Graswurzelwahlkampf: Ein Stadtspaziergang mit Düsseldorfs Oberbürgermeisterkandidatin Gudrun Hock. Sie trifft auf wütende Rentner und militante CDUler
aus DÜSSELDORFKLAUS JANSEN
Gudrun Hock müsste die Lieblingsgenossin von NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek sein. „Wir müssen uns die Hacken ablaufen“, hatte Groschek zu Beginn des Kommunalwahlkampfs gefordert. Hock läuft sich die Hacken ab – auf Stöckelschuhen mit Pfennigabsätzen. Die 46-Jährige will im Herbst für die SPD Oberbürgermeisterin von Düsseldorf werden. Dafür geht sie Klinken putzen.
Vor einem Café in der Stresemannstraße, Stadtbezirk I, wird Gudrun Hock von einer Gruppe Rentner erwartet. Die Rentner haben ein Problem: In ihrem Viertel, in Bahnhofsnähe, liegt Düsseldorfs Drogenstrich. Die Rentner wollen, dass Junkies, Freier und minderjährigen Prostituierten vor ihrer Haustür verschwinden und haben nun gehört, dass Hock den Strich im Falle eines Wahlsiegs legalisieren möchte. Die Rentner sind wütend, eine Dame schwadroniert von der Zeit, als ihr Mann noch eine Gaspistole tragen durfte.
Hock muss sich erklären. Natürlich wolle sie nicht, dass der Strich im Wohngebiet bleibe, sagt sie. Man könne aber auch nicht die „Mädels“ drangsalieren und sie vertreiben, ohne Alternativen zu bieten. Das tue Joachim Erwin, Düsseldorfs CDU-Bürgermeister, sagt Hock. Sie schlägt vor, einen legalen Strich außerhalb des Sperrgebiets der Wohnviertel zu schaffen, kontrolliert von der Polizei, die die Mädels vor Übergriffen ihrer Freier schützen soll. Auch einen Druckraum und Notschlafstellen soll es geben, sagt Hock, die derzeit Sozialdezernentin in Essen ist: Dort habe sie mit dem Konzept gute Erfahrungen gemacht. Eine Dame redet weiter auf Hock ein. „Das ist die militanteste CDU-Frau im Viertel, mit der zu reden bringt gar nichts“, stöhnt der SPDler aus dem Stadtbezirk. Egal, Hock hört weiter geduldig zu.
Hock hat in einer großen Umfrage die Sorgen der Düsseldorfer gesammelt – „Aktion Radschläger“ hieß die Kampagne. Das Ergebnis: Ärger um übervolle Mülltonnen, brachliegende Entwicklungsflächen, verstopfte Verkehrsknotenpunkte oder manchmal nur fehlende Straßenschilder. Nun marschiert Hock die Problemzonen ab: Ihr Stadtspaziergang ist der sechste in den vergangenen Wochen, vier weitere sollen folgen. Dann hat sie alle Bezirke durch. Das Grundprinzip: Die Bürger reden, Hock hört zu, manchmal schreibt sie etwas auf.
„Ich will etwas von diesem Wahlkampf haben – und die Leute sollen das auch“, sagt Hock. Die Menschen sollen sie sehen, in ihren Vierteln. Denn auch wenn Hock seit zwanzig Jahren in Düsseldorf wohnt, ist die geborene Fränkin für eingefleischte Rheinländer „eine von außerhalb“. Lange hat die studierte Volkswirtin in den vergangenen Jahren woanders gearbeitet, erst in Detmold, dann in Essen. „Wir haben schon überlegt, wen wir aufstellen sollen“, sagt Matthias Herz, der als Direktkandidat für den Stadtbezirk I mit unterwegs ist. Nun ist er sicher, dass die Partei mit der eigenwilligen Sozial- und Finanzpolitikerin die richtige Wahl getroffen hat. „Sie hat frischen Wind in den Wahlkampf gebracht.“
Frischen Wind, den braucht die krisengeschüttelte Basis der SPD. „Noch nie war es so schwer, die Menschen zu mobilisieren“, sagt Herz. Und auch Hock findet: „Die Menschen haben im Moment einen regelrechten Hass auf die SPD. Man glaubt gar nicht, an was die Partei alles schuld sein kann.“ Bundesthemen sind es meist. Im Wahlkampf, so die Message der Rundgänge, soll es um Kommunalpolitik gehen.
Gudrun Hock weiß, dass sie im Rennen gegen Erwin um den OB-Sessel die Außenseiterin ist. Trotzdem bleibt sie selbstbewusst: „Griechenland ist ja auch Europameister geworden“, sagt sie optimistisch. Da hat sie mit griechischen Freunden gefeiert und sich eine blau-weiße Fahne umgebunden. Wenn sie im September die Wahl gewinnt, wird sie sich wohl Pflaster umbinden müssen. Wegen der vielen Blasen, die sie sich bis dahin gelaufen haben wird.