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Archiv-Artikel

Nichts mehr zu verlieren

Geprügelte im „Garten“: ein israelischer Dokumentarfilm über den Verkauf von Sex und Gefühlen zwischen Männern mitten im israelisch-palästinensischen Konflikt

Dudu hat einen neuen Freund. „Er kocht für mich, macht meine Wäsche, er erfüllt alle meinen Wünsche!“, sagt der junge Dudu. Auch Nino hat einen viel älteren Freund, Bezalel, der ihm eine kleine Wohnung zur Verfügung stellt. Aber was zunächst wie die Idylle einer jüdisch-arabischen Freundschaft anmuten könnte, täuscht. Denn der arabische Israeli Dudu und der Palästinenser Nino arbeiten als homosexuelle Stricher, auch für ihre „Freunde“.

Kein Wunder, dass auch der Titel des ungewöhnlichen israelischen Dokumentarfilms von Ruthie Shatz und Adi Barash in die Irre führt: „Garden“. Er ist abgeleitet von einem winzigen Garten in einem heruntergekommenen Viertel von Tel Aviv und bezieht sich, wie der Filmemacher Adi Barash erläutert, „auf die vier umliegenden Straßen, die als das Revier der jungen männlichen Prostituierten gelten“. Statt Bäumen und Blumen gedeihen Beton und Brutalität in diesem „Garten“.

Den muskulösen, gut aussehenden 17-jährigen Nino trafen die Filmemacher in einer Nacht, in der er aus Nablus geflohen war, nachdem die palästinensische Polizei ihn vier Stunden lang gefoltert hatte. „Er erzählte uns voller Stolz, wie er seinen Verfolgern aus dem eigenen Volk entfliehen konnte“, sagt Barash. „Er wollte sofort vor der Kamera seine Geschichte erzählen, weil er nichts mehr zu verlieren hatte und weil er hoffte, unser Film könnte ihm helfen.“

Dudu, mager und 18 Jahre alt, begegneten die Regisseure auf einer Bank, wo er auf einen Klienten wartete. „Er trug eine Baseballmütze und erzählte uns sofort, dass er gerade von zu Hause geflohen war, weil seine Familie ihn mit einem glühenden Messer misshandelt und seine Haare abgeschnitten hatte, um ihm seine Würde zu nehmen.“ Später muss Dudu seine Nächte auf dieser Bank verbringen und wird von Polizisten brutal geschlagen. Zusammen mit seinem besten Freund Nino wollte auch er auf die Leinwand.

Diese tiefe Freundschaft erhellt den dunklen, harten Tunnel des Alltags von Dudu und Nino. In einer unvergesslichen Szene auf einer Party imitiert Nino „seinen“ Präsidenten Jassir Arafat. Mit einem Tuch auf dem Kopf und einem Besen als Mikrofon huldigt er mit zitternder Stimme seinem Bruder Rabin, „der uns immer Ecstasy, Wodka und Haschisch schenkte“. Das Lachen der anderen Stricher in der kleinen Runde vergeht aber, sobald er als Ariel Scharon auftritt. Er haut mit der Faust auf einen kleinen Hocker und erklärt jeden Araber zu einer „Sicherheitsgefahr für Israel“.

Diese internationale Produktion erweckte bereits großes Interesse auf den Filmfestivals von Sundance und München und gewann den Preis für den besten Film auf dem schwul-lesbischen Filmfestival in New York. Shatz und Barash kämpfen übrigens weiter, damit Nino eine Aufenthaltserlaubnis in Israel bekommt und Dudu ein Leben ohne Drogen und Prostitution beginnen kann. Bisher vergeblich. IGAL AVIDAN

„Garden“ im Filmkunsthaus Babylon, Do., 8. 7., und Mo., 12. 7. um 19 Uhr