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Archiv-Artikel

It‘s the Wu, Motherfuckers

In seiner kontrollierten Aggression war es nur einem Martial-Arts-Film vergleichbar: Der Wu-Tang-Clan, die wohl beste HipHop-Gruppe der Welt, spielte in der Columbiahalle

„Wu-Tang-Clan ain’t nothing to fuck with! Wu Tang-Clan ain’t nothing to fuck with!“ – ein wenig wunderte man sich schon, als man am Dienstagabend beim einzigen Deutschlandkonzert des Wu-Tang-Clans in einem Meer von erhobenen Händen stand, die ihre Finger zu einem W verhakelt hatten, dass es nicht geklappt hat mit der Weltherrschaft dieser wohl großartigsten aller HipHop-Gruppen. Vielleicht hätten sie 1997 auf dem Höhepunkt ihres Ruhms nicht ihre Konzerte entweder ausfallen oder wegen allgemeinen Verpeiltseins nach einer halben Stunde abbrechen sollen – so wie sich der Clan vorgestern präsentierte, dürfte es keine Gruppe in der großen und weiten HipHop-Welt geben, die diesen acht Rappern das Mikrofon reichen kann.

Und das lag nicht nur an dem ganzen Wu-Tang-Brimborium, das auch Jahre nach der großen Zeit des Clans seine Anziehungskraft nicht verloren hat: diese durchgedrehte Kosmologie im Eigenbau, für die sie ihren heimatlichen New Yorker Stadtteil Staten Island in Shaolin Island umbenannten und islamistische Traktate, Kung-Fu-Filme, Superhelden-Comics, Battlerap-Ideologeme, Klein- und Mittelkriminellengeschichten sowie Stax-Samples zu einem Universum zusammenführten, das ganz eigenen Gesetzen folgte, denen der Wu World Order nämlich. Eine Weltsicht, die für die 17-Jährigen aller Alterstufen und jeglicher Herkunft so attraktiv ist, weil die Ghettoerfahrung zwar ihre Basis, identitätsstiftend aber vor allem das Geheimwissen ist. Doch daran lag es nicht. Es war der Auftritt selbst.

Normalerweise sind HipHop-Konzerte unerträglich, weil man schon drei durcheinander schreiende Männer nicht aushalten kann. Der Wu-Tang-Clan hatte ständig acht Rapper auf der Bühne, doch die unglaubliche Präzision, die dieses scheinbare Chaos regierte, die feinen Abstimmungen, wann wer welchen Endreim mitschreit, wann wie viele welchen Satz betonen, ergaben ein einzigartiges Gefühl kontrollierter Aggresssion. Der Auftritt glich der ausgefeilten Schwertkampf-Choreografie eines Martial-Arts-Films: Im fliegenden Wechsel tauschten sie die Rollen, sprangen vom Rand ins Zentrum und wieder zurück. Keine „Say Ho“-Spielchen mit dem Publikum, dafür kompakte lyrische Kampfeskunst.

Bis auf Method Man und Ol Dirty Bastard war tatsächlich der ganze Clan anwesend: RZA, Raekwon, Inspektah Deck, Masta Killah, Ghostface Killah, Cappadonna. Testosterongesteuert holzten sie sich im Zweiminutentakt durch die zahllosen Wu-Tang-Hits.

So intensiv war dieser Auftritt, dass niemand im ausverkauften Saal das Bedürfnis nach einer Zugabe verspürte, als nach gerade einmal rund einer Stunde der ganze Zauber vorbei war. Das Wu Tang-Mastermind RZA kündigte in einer bizarren Verkaufsshow für die nächten Monate noch rund ein halbes Dutzend Plattenveröffentlichungen verschiedener Wu-Mitglieder an und verloste einen Videorekorder unter den Käufern von signierten Wu Tang-CDs. Auch Goldketten wollen bezahlt sein. TOBIAS RAPP