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Archiv-Artikel

Zweigeteilter Abend im Schloss

Pierre-Laurent Aimard, Pianist von Weltruf, gab sein Bestes. Die Programmzusammenstellung seines Gastspiels beim Schleswig-Holstein Musik Festival in Reinbek hätte allerdings eine überlegtere sein können

Wenn in Reinbek hochkarätige Konzerte stattfinden, dann fast ausschließlich im Zusammenhang mit dem (oder auch im Rahmen des) Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF). Dann nämlich kann man es sich erlauben, erstklassige, ansonsten in deutlich größeren Sälen spielende Künstler in den klitzekleinen, umso stimmungsvolleren Konzertraum im Reinbeker Schloss einzuladen. Auch dieses Jahr war dies mehrfach der Fall, zuletzt war am Montagabend der Pianist Pierre-Laurent Aimard zu Gast.

Unter dem Motto „Variationen und Fantasien“ kombinierte der intellektuelle Klangzauberer in beiden Programmhälften jeweils drei Stücke aus weit voneinander entfernten Epochen. Zunächst gab es ein unbekanntes Variationenwerk von Ludwig van Beethoven zu hören, danach aus dem ausgehenden 20. Jahrhundert die Variations des Engländers Oliver Knussen, und schließlich die bekannten Abegg-Variationen Robert Schumanns. Nach der Pause folgten dann drei Fantasien: eine von Carl Philipp Emanuel Bach, eine zeitgenössische des Briten George Benjamin und – als Höhepunkt des Abends – Franz Liszts hochromantische Fantasie-Sonate Après und lecture de Dante.

Beethovens teilweise hoch originelle, aber teilweise auch etwas langatmige Variationen über eine Ariette von Righini wirkten in Aimards Spielweise anfangs noch ein wenig nichtssagend. Je weiter allerdings sich Aimard in das Dickicht der Verstrickungen vorarbeitete, desto faszinierender wurde sein Spiel, desto mehr erschloss sich dem Zuhörer die wirkungssichere Originalität Beethovens. Knussens anschließende Variations gerieten in ihrer Konzentration ähnlich überzeugend. Und das Schumann-Stück wurde gar zu einem Fest der Klangfarben, in dem sich die Modernität des Schumann‘schen Klaviersatzes mit seinen verschiedenen Klang- und Melodieebenen bestens miterleben ließ.

Leider konnte im zweiten Teil an dieses Niveau aufgrund der Stückwahl nur bedingt angeknüpft werden. Die Werke des Bach-Sohnes und George Benjamins waren einfach zu blass. Und im Falle des Letzteren überdies zu epigonal: Sein Stück klang anfangs nach Messiaen, später nach Boulez, aber selten nach einer eigenen, originellen Sprache.

Dagegen erfreute die Dante-Fantasie Liszts, die Aimard mit großer Klarheit und Souveränität spielte. Ganz so, als gelte es irgendwem noch den Rang dieser Musik zu beweisen. Dies gelang bestens. Allgemeine Begeisterung. REINALD HANKE