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Archiv-Artikel

Keine Sprechstundenhilfe

Affäre Wellinghausen: SPD-Opposition rechnet mit Entlassung des Innenstaatsrats in der kommenden Woche. Fraktions-Innenexperte Michael Neumann zeiht Senat der Lüge im Fall des Polizeibeamten Olaf A.

von PETER AHRENS

14 Fragezeichen weist die zweiseitige Presseerklärung der SPD-Fraktion zu den diversen Eskapaden des Innenstaatsrats Walter Wellinghausen auf. Und damit sind noch längst nicht alle den Komplex W. W. betreffenden Fragen angesprochen, die „jede für sich die Entlassung des Staatsrates rechtfertigen“, wie der stellvertretende Fraktionschef Michael Neumann feststellt. Aus Sicht Neumanns, der gestern die Strategie der SPD im Hinblick auf die mit Spannung erwartete Innenausschuss-Sitzung zum Thema Wellinghausen am kommenden Montag erläuterte, ist der Fall heute in einer Woche ohnehin erledigt: „Am Dienstag tagt der Senat, und danach wird Herr Wellinghausen kein Staatsrat mehr sein.“

Neumann führte gestern weitere Ungereimtheiten ins Feld, die vor allem die Affäre um den von Wellinghausen und Innensenator Ronald Schill im Amt belassenen Polizeibeamten Olaf A. betreffen. A., der wegen diverser Verfehlungen eigentlich aus dem Polizeidienst entlassen werden sollte und nur nach Intervention der Behördenleitung im Dienst blieb, soll Schill bei einer Bürgersprechstunde des Senators im Januar sein Leid geklagt haben. Schill habe daraufhin Wellinghausen angewiesen, sich wohlwollend um den Mann zu kümmern. Das ist zumindest die Version, die der Sprecher der Innenbehörde, Thomas Model, gestern via Bild verbreiten ließ.

Neumann zog allerdings gestern eine Senatsantwort auf eine parlamentarsiche Anfrage seiner Fraktionskollegin Ingrid Stöckl aus der Tasche, die belegt, dass Schill im Januar überhaupt keine Sprechstunde abgehalten hatte. „Entweder sagt der Senat also die Unwahrheit, oder der Sprecher der Innenbehörde lügt“, folgert der SPD-Politiker.

Neumann ist zudem der Ansicht, dass nicht nur Wellinghausen, der in seiner Zeit als Anwalt den Polizisten A. verteidigt hatte, sonden auch Schill sich strafbar gemacht hat, in dem er in Sachen A. eine rechtswidrige Anweisung an seinen Staatsrat erteilt habe: „Für uns ist das natürlich super: Jetzt ist nicht nur Wellinghausen, sondern auch Schill dran.“

Die SPD wirft dem Staatsrat zudem vor, in der so genannten SPD-Spionageaffäre – hier sollen interne Dokumente aus der Innenbehörde an die SPD weitergeleitet worden sein – „Ermittlungsergebnisse im politischen Meinungskampf missbraucht“ zu haben. Einzelheiten aus vertraulichen Akten zu dem Fall waren nach Neumanns Verdacht bewusst an die Öffentlichkeit lanciert worden, um die SPD zu diskreditieren. Die Nebeneinkünfte Wellinghauses als Anwalt für eine Radiologenpraxis und als Vorstand der Münchener Aktiengesellschaft Isar II würden am Montag ebenfalls ausführlich zur Sprache kommen: Angesichts der Nebengeschäfte Wellinghausens „wundert man sich ja schon, wie viel Zeit so ein Staatsrat offenbar noch nebenbei hat“. Wellinghausen soll allein für den Vorstandsposten in der bayrischen Hauptstadt 30.000 Euro im Jahr erhalten haben – nach Wellinghausens eigener Darstellung sei er aber nie für die Gesellschaft tätig geworden. „Es gab also 30.000 Euro fürs Nichtstun – Geld, von dem viele Hamburger Familien ein ganzes Jahr leben müssen“, stellte der SPD-Mann fest, „ohne jetzt eine Sozialneid-Debatte vom Zaun brechen zu wollen“.

Falls sich der Senat hartleibig zeige und den Staatsrat im Amt halten wolle, erwägt die SPD auch die Einrichtung eines weiteren Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA). Bisher habe er, so Neumann, „aber noch keinerlei Energie in das Thema PUA verschwendet“.