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Archiv-Artikel

Wer kriegt wie viel Schutz warum?

Schon seit Jahren plant Rot-Grün ein Antidiskriminierungsgesetz. Die taz stellt den Regierungsentwurf vor, über den in Berlin erbittert gestritten wird

VON CHRISTIAN RATH

Geht man so mit einem Renommierprojekt um? Eigentlich sollte das Antidiskriminierungsgesetz (ADG) noch vor der letzten Bundestagswahl verabschiedet werden. Jetzt hat Rot-Grün sogar die Zeitvorgaben der EU um ein Jahr überzogen. Stets heißt es in Berlin: Die Verhandlungen sind schwierig.

Grundlage der Verhandlungen ist ein Entwurf, an dem mehrere Ministerien unter Koordination von Familienministerin Renate Schmidt beteiligt waren. Regierungs- und Fraktionskreise halten das 95-seitige Papier wegen der sensiblen Verhandlungslage streng unter Verschluss. Der taz liegt es nun aber vor.

Geplant ist ein Paket, das aus drei Gesetzen besteht. Eine erste Regelung befasst sich mit Diskriminierungen in der Arbeitswelt, eine zweite mit Benachteiligungen im sonstigen Geschäftsleben, also bei Dienstleistungen, Warenverkauf und auf dem Wohnungsmarkt. Mit dem dritten Gesetz wird eine unabhängige Antidiskriminierungsstelle bei der Bundesregierung eingerichtet.

Das Grundgesetz verbietet Benachteiligungen wegen Rasse, Geschlecht, Behinderung oder Religion. Aber es bindet nur den Staat. Das ADG, das auf drei EU-Richtlinien zurückgeht (siehe Kasten), soll auch Diskriminierungen im nichtstaatlichen Bereich beenden.

Am weitesten geht das Gesetz, das Diskriminierungen im Arbeitsleben verbietet. Es untersagt Benachteiligungen „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, des Alters und der sexuellen Identität“. Auch Belästigungen wegen dieser Eigenschaften sind verboten. Bisher gab es spezielle Schutzvorschriften nur für Frauen, für die sich daher künftig am wenigsten ändert. Das Gesetz soll bei der Ausschreibung von Stellen, bei Beförderungen und Kündigungen gelten, aber auch sonst im Arbeitsalltag.

Durchgesetzt wird das Gesetz von den Betroffenen selbst. Sie erhalten Beschwerderechte und dürfen die Leistung verweigern, wenn sie diskriminiert werden. Wenn das nicht hilft, können sie auch vor Gericht eine Entschädigung verlangen, die so hoch sein darf, dass dem Arbeitgeber die Lust auf weitere Benachteiligungen vergeht. Geht die schlechte Behandlung von einzelnen Vorgesetzten aus, dann müssen diese versetzt oder gekündigt werden.

Die Beweislast ist geteilt. Der Arbeitnehmer muss beweisen, dass eine ungleiche Behandlung vorliegt. Hält der Arbeitgeber diese für zulässig, muss wiederum er dies beweisen. Zulässig sind Diskriminierungen im Arbeitsleben zum Beispiel zum Abbau von Diskriminierungen, etwa im Rahmen von Frauenförderplänen. Ausnahmen gibt es auch für Religionsgemeinschaften als Arbeitgeber, sie dürfen ihre Beschäftigten nach deren Glaubensrichtung wählen. Außerdem sind Altersgrenzen, zum Beispiel bei Einstellungen, zulässig.

Umstritten ist vor allem der zweite Teil des ADG, der sich mit dem sonstigen Geschäftsleben befasst. Denn hier will der Regierungsentwurf im Wesentlichen nur gegen Diskriminierungen wegen Rasse und ethnischer Herkunft schützen. Aufgrund politischen Drucks werden jetzt auch noch Behinderte geschützt, allerdings mit zahlreichen Einschränkungen. Hier ist allerdings noch manches im Fluss (siehe Artikel unten).

Zulässig ist Diskriminierung beim Diskobesuch oder beim Abschluss von Versicherungen nur, wenn es hierfür einen „wichtigen“ Grund gibt. Hierüber wird in der Praxis noch viel gestritten werden. Bei Behinderten genügt schon die „Berücksichtung besonderer Risiken“, die unterschiedliche Versicherungstarife erlauben, oder die „Verhütung von Schäden“, zum Beispiel durch Rollstuhlfahrer.

Wer diskriminiert wurde, hat einen Anspruch auf Unterlassung, der notfalls gerichtlich durchgesetzt werden kann. Wenn ein Vertrag nur aufgrund der Diskriminierung unterbleibt, besteht Anspruch auf den Vertragsschluss. Als Ausgleich für die negative Erfahrung kann auch Schadenersatz verlangt werden.

Das Gesetz gilt nicht, wenn ein „besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis“ besteht. Typisches Beispiel: Wenn der Vermieter auf dem gleichen Grundstück wie der Mieter wohnt, kann er auch künftig offen sagen, dass er nicht mit Schwarzen oder Türken zusammenleben will. Bei Behinderten gehen die Einschränkungen noch weiter, sie sind nur bei Massengeschäften geschützt, also zum Beispiel im Restaurant, nicht aber auf dem Wohnungsmarkt.

Um das Gesetz effektiv zu machen, sieht es neben den Beweiserleichterungen auch vor, dass Lobbygruppen im Namen von Betroffenen klagen können. Außerdem muss die Bundesregierung eine Antidiskriminierungsstelle einrichten, die Betroffene berät und Konflikte schlichtet sowie Öffentlichkeitsarbeit und Forschung betreibt.