„Das Unvernünftigste, was man machen kann“

Gewerkschaft Ver.di will auf Einhaltung des LBK-Volksentscheids klagen. Kritiker befürchten Verscherbelung für „einen Appel und ein Ei“

Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hat sich auf sein Gewissen berufen: Mit der Entscheidung, den Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) trotz eines anders lautenden Volksentscheids zu verkaufen, sei er „den schwierigeren Weg gegangen“ und seiner Überzeugung gefolgt. Die Argumente, die der Senat hierfür ins Feld führte, werden aber nach wie vor von verschiedenen Akteuren für nicht überzeugend befunden. Die GAL und der Marburger Bund warfen dem Senat vor, er wolle den LBK „für einen Appel und ein Ei“ verkaufen. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di kündigte eine Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die Teilprivatisierung an.

„Das ist so ziemlich das Unvernünftigste, was man machen kann“, kritisierte der GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Jens Kerstan den Vertrag, den der Senat vor dem Volksentscheid mit der privaten Klinikgruppe Asklepios ausgehandelt hatte. Demnach würde der Senat die LBK-Schulden in Höhe von 526 Millionen Euro übernehmen und die Grundstücke und Gebäude des LBK behalten. Asklepios würde für den entschuldeten LBK knapp 319 Millionen Euro bezahlen, und die Stadt mit diesem Geld einen Teil der Schulden begleichen.

Das sei ein Milchmädchenrechnung, argumentieren die GAL und die Initiatoren des Volksentscheids: Denn der LBK würde diesem Modell zufolge einen Kredit von rund 181 Millionen Euro aufnehmen, um seine eigene Übernahme zwischenzufinanzieren – solange bis Asklepios genügend Kredit bei einem Bankenkonsortium aufgenommen hat, unter Verweis auf seine Eigentümerschaft beim LBK.

Weitere knapp 119 Millionen Euro stundet der Senat Asklepios bis zu einem „möglichst zeitnahen“ Börsengang des LBK. Verkauft sich die Aktie nicht so gut wie geplant, kann dieser Teil des Kaufpreises auf bis zu 75 Millionen Euro sinken. Obendrein verzichtet die Stadt für 60 Jahre auf die Erbbauzins- und Pachteinnahmen für die Nutzung der städtischen Grundstücke und Gebäude durch den LBK. 189 Millionen Euro an Einnahmen entgingen der Stadt auf diese Weise, hat der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Werner Dobritz vorgerechnet.

„Der LBK bezahlt seine Übernahme selbst“, schlussfolgert der GAL-Abgeordnete Kerstan. „Das ist mehr als ein Schnäppchen!“ Ein entschuldeter LBK könnte auch im Eigentum der Stadt rentabel wirtschaften, zumal der LBK als „gut geführtes Großklinikum“ gelte, das sich auf viele der künftigen Veränderungen im Gesundheitswesen bereits vorbereitet habe.

Anders argumentiert Gesundheitsstaatsrat Dietrich Wersich (CDU): „Alle haben gesagt, der LBK schafft es nicht, aus eigener Kraft die Verschuldung abzubauen.“ Der Verzicht auf den Verkauf würde eine um 200 Millionen Euro höhere Staatsverschuldung bedeuten.

Wenn sich Asklepios für den LBK um 250 Millionen Euro verschulde, sei das eine Summe, die der Betrieb eher erwirtschaften könne. Überdies bringe Asklepios in Form zweier Krankenhäuser eigenes Kapital ein, mit dem die nötigen Investitionen finanziert werden könnten.

Im übrigen biete die strategische Partnerschaft mit den deutschlandweit 60 Asklepios-Kliniken dem LBK die Chance, sich auf dem künfigen Gesundheitsmarkt zu behaupten. Wersich: „Wir wollen nicht den Moment verpassen, wo internationale Konzerne versuchen, den Gesundheitsmarkt zu übernehmen.“ Gernot Knödler