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Archiv-Artikel

„3 x Schiffssirene“

Radio-Dokus: Detlef Michelers hat so unterschiedliche Themen wie die triumphale Atlantik-Überquerung der „Bremen“ und das Stauffenberg-Attentat verhörfunkt

Auf dem Bootsdeck hatten wir die Leichenhalle. Es waren ja immer einige Leichen da

Pokalsieger, Fußballmeister, Stadt der Wissenschaften, Weltkulturerbe, Kulturhauptstadtskandidat – Bremen geht ab wie eine Rakete, könnte man meinen. Und vergisst dabei leicht die wirklich grandiosen Erfolge der Hansestadt: Vor 75 Jahren errang der Schnelldampfer „Bremen“ das Blaue Band für die schnellste Atlantik-Überquerung.

Einer, der diese nautisch-sportliche Großtat nicht vergessen hat, ist Detlef Michelers. Der Hörfunk-Autor hat eine einstündige Dokumentation über die damals weltweit gefeierte Jungfernfahrt des Lloydschiffes angefertigt. Mit einer Fahrzeit von vier Tagen, siebzehn Stunden und 42 Minuten bis New York erjagte sich die „Bremen“ das Blaue Band vom britischen Dampfer „Mauretania“, der es 20 Jahre für sich beanspruchen konnte.

In Michelers Sendungsskript hört sich das so an: „Radio-Reporter: Amerikanische Zeitungen küren das Schiff zur ,Neuen Deutschen Königin der Meere‘, zum ,Deutschen Riesen-Übersee-Dampfer‘ [...] Blasmusik: ,Freut euch des Lebens‘, 3 x Schiffssirene.“ Auch die harten Arbeitsbedingungen und viel Schiffsalltag bekommen in Michelers Feature Raum: O-Ton Seemann Slominski: „Auf dem Bootsdeck oben hatten wir die Leichenhalle. Denn es waren ja immer einige Leichen da, die an und für sich ganz ruhige Passagiere waren.“ Dann das unrühmliche Ende des Star-Schiffes: Die letzten Wrackreste lagen bis 1956 bei Nordenham am Weserufer und wanderten von dort in den Hochofen.

Michelers hat sich der Zeitgeschichte verschrieben. Noch vor dem „Bremen“-Feature sendet das Nordwestradio kommenden Sonntag Michelers Dokumentation über Claus v. Stauffenberg: „Widerstand in Uniform“. Darin verschweigt Michelers keineswegs, dass diese Widerständler zunächst begeisterte Anhänger der NS-Bewegung waren und insbesondere die Stärkung der Armee begrüßten. Michelers: „Während des Westfeldzugs schwärmte Stauffenberg vom französischen Wein und Champagner.“ Erst mit Stalingrad und der absehbaren militärischen Niederlage sei die Wende gekommen.

Michelers hat besonders den geistig-kulturellen Hintergrund der Stauffenberg-Gruppe aufgearbeitet. Der nämlich sei im Gegensatz zum minutiös erforschten Ablauf des Attentatversuchs bisher vernachlässigt worden. Also hat Michelers sein Feature mit Stefan Georges elitärer Lyrik durchzogen: „Nur spürt im Geweide den Hunger nach Ehre ...“.

Henning Bleyl

„Stauffenberg“ wird am Sonntag um 9.05 Uhr im Nordwestradio gesendet und ist bei Hoffmann&Campe als Hörbuch erschienen. „Bremen“ läuft am18.7. auf dem gleichen Sendeplatz