Regiert endlich, ihr Feiglinge!

Eine Polemik von Ulrike Winkelmann

Wer dieser Regierung beim Regieren zuschaut, kann nur zu einem Schluss kommen: Die wollen gar nicht regieren. Es gibt überhaupt keine andere Erklärung dafür, dass Rot-Grün sich immer dann, wenn es wirklich spannend wird, bei der Union anbiedert. Ob Gesundheitsreform oder Zuwanderung: Es ist schlicht nicht wahr, dass die kleine, arme, schwache Koalition ihre tollkühnen modernen Wundergesetze nicht durch den unionsdominierten Bundesrat gekriegt hätte, wenn man sich nicht mit diesen Herrschern der Finsternis an einen Tisch gesetzt hätte, wo dann solch Bosheiten wie Praxisgebühr und Ausländerverschreckung bei herauskommen.

Die Praxisgebühr, dies sei eingeflochten, kommt aus dem Kanzleramt (SPD). Und niemand sage dem Innenminister (SPD) nach, er könne die Union nicht rechts überholen, Stichwort Sicherungshaft. Doch unterstellt, dass die Regierung auch ein paar Fortschritte vorhatte: Warum versucht sie dann nicht zumindest, sie umzusetzen? In der ersten Legislatur ging das noch: Das Homoehe-Gesetz wurde so aufgeteilt, dass Rot-Grün die entscheidenden Punkte mit eigener Mehrheit im Bundestag verabschieden konnte. Aber das waren ja auch die soften Themen, fürs Herz des linksliberalen Lagers, in den fetten Jahren vor dem September 2001. Heute sind die Zeiten ernstere. Schröder aber kann nicht Pathos, will nur noch Geschichtsbuch („der Kanzler, der die Sozialdemokratie abschaffte“). Und bis dahin hat er offensichtlich keine Lust mehr, sich anzulegen.

Und darum dürfen engagierte Sozialdemokraten erst wilde Pläne verkünden. Dem Kanzleramt ist derweil längst klar, dass das viel zu viel Ärger gibt. Und deshalb wird bei der Gesetzesformulierung dafür gesorgt, dass alles auf einmal viel schwieriger wirkt, als es gedacht war, dass der Bundesrat doch zustimmen muss und dass also am Ende ein großes Schulterzucken herrscht ob der Unrealisierbarkeit sozialdemokratischer Wunschvorstellungen.

Beispiel? Tabaksteuer: Mag nicht allen Rauchern passen, aber die Erhöhung war erst höher gedacht, wurde dann mutwillig durch den Bundesrat geschleust und fiel also niedriger aus. Es waren hier jedoch die rot-grünen Finanzpolitiker, die den Plan der eigenen Leute sabotierten. Bei der Pflegeversicherung bastelten rot-grüne Experten Monate an einem umfassenden Entwurf, der dann vom Kanzler im Handstreich eingesackt wurde. Und hat jemand wirklich geglaubt, das Kanzleramt wolle die Ausbildungsumlage? Man könnte das Theater darum als Beschäftigungsprogramm für SPD-Linke und Gewerkschafter bezeichnen. Wie übrigens voraussichtlich auch die Bürgerversicherung. Jetzt schon frohlocken die Gegner, dass die rot-grünen Spitzen sich das nie trauen werden.

Und weil die Regierung keine Lust mehr auf eigene Politik hat, macht sie lieber schon einmal die Arbeit der Union: marginalisiert die Gewerkschaften, kränkt die schlecht Verdienenden, lässt die Wirtschaftslobby mitregieren. Die CDU wird 2006 ein Land übernehmen, in dem niemand mehr glaubt, dass linksliberale Politik noch möglich sei. Weil Rot-Grün es versemmelt hat.