Bei „Jobrapid“ nimmt man sich Zeit zu lernen

In Köln-Mülheim gewöhnen sich zwölf Männer und Frauen in einem Eingliederungsprojekt wieder an die Arbeitswelt. Ihr Traum ist ein fester Job. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Gerade Ungelernte haben es schwer am Arbeitsmarkt

KÖLN taz ■ Uwe Schultz war Bäckergehilfe. Bis er eine Mehlallergie bekam. Seit 1994 pendelte er zwischen Arbeitslosigkeit und gelegentlichen Qualifizierungsmaßnahmen hin und her. Langsam verlor er den Kontakt zur Arbeitswelt. Seit einigen Wochen hat der 46-Jährige wieder einen Traum: „Ein Job in einer Kantine, das wäre was für mich.“ Für die Verwirklichung des Traums könnte das Projekt „Jobrapid“ sorgen, das am Freitag in der Mülheimer Friedenskirche bei einer kleinen Feier eine „Zwischenbilanz“ der ersten sechs Monate seiner Arbeit zog.

„Wir kümmern uns um Langzeitarbeitslose aus Mülheim, und das ganz individuell“, erklärt Projektleiterin Ingrid Kaiser. „Wir wollen ihnen Mut machen, ihre Fähigkeiten entdecken, ihnen Erprobungsmöglichkeiten geben, sie wieder an das Arbeitsleben gewöhnen – und, wenn alles gut geht, auch einen festen Job besorgen.“ Dafür arbeitet Jobrapid eng mit örtlichen Unternehmen zusammen, die Praktikumsstellen zur Verfügung stellen. So hat auch Uwe Schultz in zwei Kantinen gearbeitet und Spaß an der Arbeit gefunden. Weiter gibt es wöchentliche Schulungen und einen intensiven Erfahrungsaustausch zwischen den zwölf Männern und Frauen, die derzeit von Jobrapid betreut werden.

Getragen wird Jobrapid – „rapid“ steht für „riskieren, anstoßen, probieren, investieren und durchstarten“ – von der Christlichen Sozialhilfe Mülheim, der Arbeiterwohlfahrt und dem Bezirksjugendamt. Das Land finanziert es im Rahmen des Förderprogramms „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“ zu 80 Prozent. Den Rest von 14.000 Euro jährlich zahlt die Mülheimer Jobbörse, in der Stadt und Agentur für Arbeit zusammenarbeiten.

Mülheim, so Kölns Sozialdezernentin Marlis Bredehorst in einem Grußwort, sei „immer schlechter dran als der Rest Kölns“. Fast jeder zweite Kölner Langzeitarbeitslose wohne in diesem Stadtteil, immerhin rund 8.000. Eine gute Botschaft brachte sie mit: In einem gemeinsamen Brief hätten OB Fritz Schramma und Peter Welters, Chef der Kölner Agentur für Arbeit, allen freien Beschäftigungsträgern zugesichert, deren Arbeit auch übers Jahr hinaus zu finanzieren. Der Zwang zum schnellen Erfolg wird so etwas gemindert.

Marc Harnischmacher, Betreuer bei Jobrapid, hat seine eigene Definition von Erfolg: „Der ist schon erreicht, wenn jemand erkennt, was er will. Wenn er wieder Spaß hat und regelmäßig zur Arbeit kommt.“ Wie Birgit Nowak. Seit 1995 ist die 27-Jährige arbeitslos. Ausbildungen zur Konditorin und zur Altenpflegerin musste sie aus gesundheitlichen Gründen abbrechen. Dass sie bei Jobrapid mithelfen konnte, die Zwischenbilanz-Veranstaltung zu organisieren, das „hat meinen Alltag wieder strukturiert“, freut sie sich und hofft, bald „regelmäßig Geld zu verdienen“. Dass es mit Jobs für Ungelernte schlecht aussieht, weiß allerdings auch Harnischmacher. Aber die Arbeitsvermittlung sei auch ein langfristiges Ziel.

Immerhin: Doris Schumacher hätte beinahe schon einen Ganztagsjob als Sekretärin bekommen. Diese Anerkennung tat ihr nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit gut und gibt ihr Kraft, bis zum nächsten Angebot durchzuhalten – denn als Mutter von zwei Kindern kann sie nur halbtags arbeiten. Obwohl sie weder Sozial- noch Arbeitslosenhilfe erhält, darf sie bei Jobrapid mitmachen. Eine Ausnahmeregelung, auf die nach Einführung von Hartz IV noch mehr Menschen zurückgreifen müssen, wie Kölns DGB-Chef Wolfgang Uellenberg-van Dawen ahnt: „Dann werden 20 Prozent aller bisherigen Arbeitslosenhilfeempfänger keinerlei Unterstützung mehr bekommen.“

Jürgen Schön