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Archiv-Artikel

Die Ahnungslosigkeit des Zeugen

„Ich war‘s nicht“: Ein Bundeswehrsoldat soll mit einer Schmäh-E-Mail die Bremer Polizei beleidigt haben

Von jox

Bremen taz ■ Marc-André R. ist ein Berufssoldat wie aus dem Bilderbuch: Mit raspelkurzem Haar und feschem Hemd sitzt der durchtrainierte junge Mann aus Karlsruhe, der derzeit in Itzehoe bei der Luftwaffe stationiert ist, auf der Anklagebank des Bremer Amtsgerichts – und beteuert seine Unschuld. „Ich hab‘ doch mit der Polizei Bremen überhaupt nichts zu tun, mit der Stadt nichts und auch nichts mit dem Fußballverein“, sagt er selbstbewusst und ein wenig aufgeregt zugleich. Gelegentlich sieht man seinen Adamsapfel hüpfen.

Dem Soldaten wird gar Ungeheuerliches vorgeworfen: R. soll im letzten November von seinem Computer aus und über seinen „Account“ bei GMX eine E-Mail an die Bremer Polizei geschickt haben. Inhalt der Mail: Ein Artikel aus der taz bremen über eine Hooligan-Razzia der Bremer Polizei in der Innenstadt. Dem taz-Text soll R. eigene Zeilen hinzugefügt haben, in denen er die Beamten unter anderem als „scheiß Drecksbullen“, „Wichser“ und „korrupte Schweine“ beschimpft habe. Marc-André R. bestreitet nicht, dass diese Mail über die „IP-Adresse“ seines Computers und über sein GMX-Konto geschickt worden ist. Er sagt aber: „Ich war‘s nicht.“ Möglicherweise, so seine Vermutung, habe sich ein Hacker in seinen PC eingewählt und dann die Mail an die Polizei versandt.

Dann kommt der Auftritt des einzigen Zeugen: Der Bremer Kriminalbeamte S., der die Ermittlungen geführt hat, sei offenbar ein PC-Experte, sagt Richter Peter Mertens. S. bestätigt das stolz: Er habe eine „Spezialausbildung beim BKA“ gehabt. Auf die Frage, ob es heutzutage Hackern möglich sei, IP-Adresse und Account eines privaten PC zu knacken, kann er dann jedoch nur ratlos sagen: „Das ist rein theoretisch möglich, aber ich halte es für unwahrscheinlich, weil es mit einem hohen technischen Aufwand verbunden wäre.“ T-online sei doch „ein Provider, der viel Wert auf Sicherheit legt“, sagt der Beamte noch. Ratlosigkeit im Gericht. Richter Mertens setzt schließlich den Prozess aus und gibt dem Kripo-Mann den Auftrag, bei „weiteren Sachverständigen“ zu überprüfen, „ob die Einlassung des Angeklagten zutreffend sein kann“. In zwei Monaten will er sich den Fall wieder vorlegen lassen. jox