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Archiv-Artikel

folgen von hartz iv Jobsonderzone in Neuhardenberg

Es wirkt bizarr. Das Kabinett trifft sich zur Klausur auf Schloss Neuhardenberg, doch entschieden werden soll: nichts. Stattdessen hält Wirtschaftsminister Clement einen Vortrag – über die Auswirkungen der Arbeitsmarktreformen, die gestern im Bundesrat abgesegnet wurden.

Die Regierung tut so, als sei dieser Tagesordnungspunkt selbstverständlich. Doch Laien staunen und hätten angenommen, dass man die Folgen von Hartz IV erwägt, bevor man zur Abstimmung in Bundestag und Bundesrat schreitet. Stattdessen wird das Nachdenken nun in Neuhardenberg nachgeholt.

KOMMENTARVON ULRIKE HERRMANN

Immerhin stimmt die Regierungsanalyse, dass nachzudenken ist. Denn bisher ließ sich Wirtschaftsminister Clement vom Prinzip Hoffnung tragen. Irgendwie sollte sich die Konjunktur beleben und die Zahl der Arbeitslosen senken. Nun tritt ein Paradox ein: Die Wirtschaft wächst – um etwa 1,8 Prozent –, aber die Zahl der Erwerbstätigen nimmt weiter ab. Das nennt sich Produktivitätsfortschritt. Immer weniger Menschen erzeugen immer mehr.

Diesen Grundmechanismus im Kapitalismus will Clement überlisten, indem er eine Sonderbeschäftigungszone für Arbeitslose schafft. Zu Billiglöhnen, auf Staatskosten. Auf Neuhardenberg dürfte er nochmals erläutern, wie „fördernd“ es wäre, wenn etwa Ingenieure künftig für 1 bis 2 Euro Naturkundeunterricht in Schulen erteilen.

Wahrscheinlich findet Clement genug Freiwillige. Es gehört zwar zu den Klassikern unter den Vorurteilen, dass Arbeitslose am liebsten faul sind und Niedriglöhne meiden – doch ließ sich dieser Verdacht nie bestätigen. Studien finden immer wieder heraus: Arbeitslose wollen sinnvolle Arbeit tun.

Aber sie wollen auch Perspektiven und Anerkennung. Sie wollen Würde. Aber die kann es nicht geben, wenn die Privilegien in den Schulen rein zufällig verteilt werden: Morgens unterrichten verbeamtete Lehrer, die über gute Nettolöhne und erfreuliche Pensionsaussichten verfügen. Nachmittags übernehmen dann die arbeitslosen Ein-Euro-Kräfte, deren einziger Fehler es war, dass sie sich in jungen Jahren in die freie Wirtschaft getraut haben. Dafür müssen sie mit lebenslanger Armut büßen.

Es geht nicht nur um Arbeit, sondern auch um Chancen – und faire Verteilung. Aber so fundamental wird Rot-Grün nicht gern, dann müsste man ja entscheiden. Doch das ist in Neuhardenberg ausdrücklich nicht vorgesehen.