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Archiv-Artikel

Kaltherzig – aber überhaupt nicht gerne

SPD-Parteichef Petersen und CDU-Fraktionsvorsitzender Reinert streiten über das richtige Sparen im klammen Hamburg

Die katastrophale Finanzlage Hamburgs und die daraus resultierenden Sparbeschlüsse des CDU-Senats haben am Wochenende zu einer scharfen Kontroverse zwischen Union und SPD-Opposition geführt. „Kaltherzigkeit“ warf SPD-Parteichef Mathias Petersen der Regierung der Hansestadt vor. CDU-Fraktionschef Bernd Reinert verteidigte hingegen den Kurs mit den Worten, dass er „nicht gerne“ das mache, was „notwendig“ sei. Den Entwurf des Doppelhaushalts 2005/2006 hatte Finanzsenator Wolfgang Peiner Ende Juni vorgelegt. Nach Beratungen in den Ausschüssen der Bürgerschaft soll er im Dezember vom Parlament verabschiedet werden.

Petersen befürchtet, dass Hamburg auseinander wachse – in einen Teil mit wohlhabenden Menschen und einen wachsenden Teil von Menschen, denen immer weniger zum Leben bleibe. Als Beispiel nannte er gegenüber dpa die Kürzungen bei Kinderkuren: „Das ist kaltherzig.“

In diesen Heimen hätten vernachlässigte und schlecht ernährte Kinder die einmalige Chance auf ärztliche und psychologische Betreuung, sagte Petersen, der weiterhin als Hausarzt praktiziert. Die Stadt Hamburg hat bisher sieben Millionen Euro pro Jahr für die Kinderkuren ausgegeben. Der Senat will die Mittel streichen.

Die Finanzlage der Stadt sei „katastrophal“, räumte der 48-jährige Bürgerschaftsabgeordnete ein. An Kürzungen in einigen Bereichen führe kein Weg vorbei. Er würde nach dem Vorbild früherer SPD-Bürgermeister aber lieber die Etats aller Behörden begrenzen und auch Bürokratie abbauen, anstatt einzelne Ausgabenposten ganz zu streichen. Außerdem dürften nicht 500 Millionen Euro für die U-Bahn in die Hafen-City ausgegeben werden: „Es gibt preiswertere, genauso leistungsfähige Alternativen.“ Das Geld sei besser im Bildungsbereich angelegt.

Reinert verteidigte die Einsparungen auch im Sozialbereich. 40 Millionen Euro Einsparungen zugunsten von Mehrausgaben für die Kitas hätten „richtig wehgetan“, so Reinert laut dpa. Hamburg könne es sich aber nicht mehr leisten, bei den Sozialleistungen deutlich über dem Niveau der anderen Bundesländer zu liegen. Als Beispiel nannte er das Blindengeld, das gegen den Widerstand der Betroffenen gekürzt werde – und dennoch im Bundesvergleich relativ hoch bleibe. „Das ist nichts, was man gerne macht, aber es ist richtig, dass sich jede Behörde beteiligt.“

Ähnlich argumentierte der 53-jährige Gymnasiallehrer bei den Kürzungen der Kinderkuren, die auch fraktionsintern umstritten sind. Dies sei eine Anpassung an den Standard in Deutschland und nicht „menschenverachtend“, wie die Opposition behauptet hatte. Derselbe Erfolg könne auch von anderen Kureinrichtungen garantiert werden. Außerdem könnten in vielen Fällen die Krankenversicherungen in Anspruch genommen werden.

Auch den gerade beginnenden Bau der U-Bahn-Linie in die Hafen-City verteidigte Reinert. Der Verzicht darauf würde Kürzungen im Sozialbereich nicht überflüssig machen, weil Investitionsmittel nicht für laufende Ausgaben eingesetzt werden könnten. „Der Vorschlag löst das Problem nicht“, sagte Reinert zur Forderung Petersens, zugunsten von Bildung und Sozialem auf das Projekt zu verzichten.

sven-michael veit