: berliner szenen Und wieder Wetter
Es wird Gewitter geben
Vogelschreie, herb und heiser. Schnelle Schatten. Mückenschwärme senken und verballen sich und bleiben, als ich sie durchquere, an meinem Lipgloss hängen. Sie sind hellgrün. Sie haben keinen Geschmack. Etwas fällt um. Das ist er noch nicht. Eine donnernde Tonne ist das, aber kein Donner. Jemand fährt einen großen Wagen rückwärts.
Das Licht ist gelblich. Ein dünner Niesel fällt, fast tänzelnd. Winzig kleine Tropfen, genau wie die Mücken auf der Flucht vor dem, was kommen mag. Kein Wind geht. Die Luft liegt mir im Nacken wie ein lauer, nasser Lappen. Die Tropfen fallen schneller, der Regen wird dichter, noch immer durchschwirrt von Insekten. Es ist eigenartig still. Formen wabern, alles ist wie durch einen schmutzigen Filter besehen. Mir ist, als würde es heller und dunkler zur selben Zeit. Jetzt sträuben sich die Bäume, wedeln, winken.
Jetzt ist die Kühle dicht und angefüllt mit fernem Grollen. Dann der wirkliche Regen, leicht rechts schräg, sonst einfach steil, von oben nach unten und sehr, sehr schnell. Der Himmel Windows-grau und von hinten beleuchtet. Menschen stellen sich unter. Es wird nicht schlimmer, aber es hört auch nicht auf.
Dann wird es heller, vorzeitig, denke ich, als mein Handy klingelt: „Es hat nicht gehagelt.“ Mein Hagel sammelnder guter Freund ist dran. „Du hast gesagt, es würde hageln, und es hat nicht.“ Da bietet sich mir nur eine alte großväterliche Weisheit an: „Fürs Wetter und andernleuts Schulden kann man nichts.“ Trotzdem droht der Hagelsammler seinen sofortigen Besuch an und fügt noch hinzu, dass ich mir schon mal überlegen könne, wie ich das wieder gutmachen will. Und für einen Moment erwäge ich ernsthaft, Eiswürfel auf Hagelgröße runterzulutschen. Aber nein, nein. MONIKA RINCK