Wenn das Handy gar nicht klingelt

Bundesregierung befürwortet die Fahndung mit „stillen SMS“. Datenschützer bemängeln, dass Rechtsgrundlage fehlt

In Städten lassen sich „Zielpersonen“ auf 50 Meter genau durch SMS-Versand orten

BERLIN taz ■ So genannte „stille SMS“ im Mobilfunk sind nach Meinung der Bundesregierung „ein unverzichtbares Hilfsmittel für Ermittlungs-, Fahndungs- und Observationszwecke“, um herauszufinden, wo sich eine Zielperson aufhält. Dies geht aus einer Antwort auf eine kleine parlamentarische Anfrage der FDP hervor, die Anfang der Woche veröffentlicht wurde (Bundestagsdrucksache 15/1448).

Das neue Fahndungmittel ist verblüffend einfach: Die Ermittler senden so genannte stille SMS an die Verdächtigen. Die geheimen Kurzmitteilungen werden dabei von den anvisierten Handys nicht als Nachricht registriert. Sie erzeugen aber dennoch Verbindungsdaten beim Mobilfunkprovider, die die Polizei sofort abrufen kann. Diese „Unverzüglichkeit“ beim Umgang mit den Daten ist im Telekommunikationsgesetz zwingend vorgeschrieben. Die Polizei kann mithilfe der stillen SMS eine Peilung vornehmen, die in Stadtgebieten auf etwa 50 Meter genau ist.

Eingesetzt werden SMS-Blaster oder vergleichbare Shareware, die den Massenversand von Kurznachrichten vom PC aus ermöglichen. Beliebt ist der „Stealth Ping“: Damit lässt sich per SMS bei einem Handy anklopfen und prüfen, ob es eingeschaltet oder für Roaming bereit ist – ohne dass etwas auf dem Display erscheint.

Datenschützer und Juristen schlagen Alarm. Der Verbrecherjagd per „Spitzel-SMS“, so das Argument, fehle eine klare Rechtsgrundlage. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung für die Telefonüberwachung (§ 100 StPO) decke den Einsatz der SMS-Fahndug nicht ab, kritisiert etwa Thilo Weichert, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Datenschutz.

Die Bundesregierung hingegen beharrt darauf, dass sie sich gesetzestreu verhält. Sie würde die rechtlichen Beschränkungen die SMS-Fahndung einhalten, indem sie nicht bei geringfügigen Delikten angewendet werde. Diese Behauptung lässt sich allerdings schwer überprüfen: Zahlenangaben über den Umfang des Einsatzes oder die Häufigkeit der SMS-Fahndung pro Straftatbestand liegen der Bundesregierung laut Antwort nicht vor. Sie verfügt zudem über keine Angaben darüber, ob und wie weit das neue Fahndungsmittel auch von den verschiedenen Bundesländern eingesetzt wird.

In Berlin weiß man etwas mehr: 99 Tatverdächtige hat die Polizei in der Hauptstadt bis Mitte April mit Hilfe von SMS dingfest gemacht. Das geht aus einer Parlamentsanfrage hervor, die von den Grünen gestellt wurde. Deren Rechtsexperte und Fraktionschef im Landtag, Volker Ratzmann, ist denn auch besorgt, dass die Berliner Behörden trotz aller Bedenken munter weitermachen wollen mit der SMS-Fahndung. Schließlich will auch Berlins Justizsenator Ehrhart Körting von den Einwänden der Datenschützer nichts wissen. Er verkündet unbekümmert, es müsse bei der Strafverfolgung zwischen Täter- und Opferschutz entschieden werden. Eine Haltung, der sich jetzt auch die Bundesregierung angeschlossen hat.

WOLFGANG GAST