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Archiv-Artikel

Teilzeitarbeit für die Chefin

Na also, es geht doch: Die Tübinger Firma Rösch verbindet Frauenförderung und geschäftlichen Erfolg

BERLIN taz ■ Ausgezeichnet von der Bundesregierung als „familienfreundlichster Mittelstandsbetrieb“, von Bundesfamilienministerin Christine Bergmann seinerzeit als Beispiel für „best practices“ gelobt: Die Tübinger Textilfirma Rösch produziert Markenkleidung und Industriestoffe und gehört seit einigen Jahren zu den Vorzeigebetrieben, wenn es um Chancengleichheit in der Wirtschaft geht.

„Wir haben die Zeichen der Zeit erkannt“, sagt Personalchef Thomas Huber. Die Erkenntnis, dass Frauenförderung auch dem Unternehmen zugute kommt, kam 1985. Eine langjährige Mitarbeiterin bat eines Tages um einen Teilzeitvertrag – sie bekam die Kündigung. Als es mit der Nachfolgerin nicht recht klappte, fiel bei Huber der Groschen: „Das war die falsche Personalpolitik.“ Seit 1996 hat jeder Mitarbeiter der Firma Rösch vertraglichen Anspruch auf flexible Arbeitszeit und Teilzeitbeschäftigung. Für die Frauen im Betrieb, so Huber, der Schlüssel zum Erfolg: 50 Prozent der 750 Mitarbeiter sind weiblich, mehr als die Hälfte aller Führungspositionen ist inzwischen von Frauen besetzt. Ein betriebseigener Kindergarten schafft die Möglichkeit, trotz Familie berufstätig zu bleiben. Mitarbeiter, die Erziehungsurlaub nehmen, können während dieser Zeit an Weiterbildungen teilnehmen und sollen vom Betrieb „auf dem Laufenden“ gehalten werden.

Als Ute Friedrich schwanger wurde, hätte sich der Chef gefreut, erzählt die 33-Jährige, die gerade ihr erstes Kind bekam. Als Führungskraft leitet sie bei Rösch seit drei Jahren den Verkauf teurer Designerkleidung – zurzeit hauptsächlich per Telefon von zu Hause aus. Ihre Achtstundenwoche kann sie selber planen, bei wichtigen Entscheidungen kommt sie ins Büro.

„Wir haben viel gelernt in den letzten Jahren“, stellt Huber fest. Mit 3,3 Prozent ist der Krankenstand in der Firma Rösch vergleichsweise niedrig, auch die Fluktuation der Mitarbeiter ist gering.

Von der Erkenntnis, dass Chancengleichheit nicht nur eine Frage der Ideologie ist, profitieren Unternehmen in anderen Ländern längst im großen Stil: So investierte der US-amerikanische Chemieriese Dupont ganze 1,5 Millionen Dollar in familienfreundliche Arbeitsstrukturen. Daraufhin steigende Produktionszahlen brachten dem Konzern nach eigenen Angaben 10 Millionen Dollar Gewinn. NINA MAGOLEY