vorlauf : Nina Ricci als Marketenderin
„Komm in meinen Laden“ (Arte, 22.05 Uhr)
„Die Weißen wollen von uns vor allem eines sehen: das Sklavenhaus, von wo aus unsere Vorfahren nach Amerika verschifft und verkauft wurden“, heißt es in einem Song, den die „Mädchen vom Markt“ auf Gorée singen. Das 1776 erbaute Sklavenhaus ist heute Touristen-Attraktion und Museum.
Was sich für die Urlauber auf der Insel vor der Küste von Senegals Hauptstadt Dakar als pittoresker Tagestrip vor malerischer Kulisse darstellt, ist für die jungen Frauen harte Realität. Ohne Lizenz, aber selbstbewusst preisen sie ihre Waren an, um etwas zum Lebensunterhalt ihrer Familien beitragen zu können. Ihre Träume unterscheiden sich dabei kaum von denen ihrer Altersgenossinnen in anderen Ländern. Fafou etwa will als Marketing-Spezialistin irgendwann in die USA gehen.
Bis dahin aber ist der Weg hart für die 17-Jährige wie für ihre Kolleginnen. Sie müssen sich schon etwas einfallen lassen, wenn sie den Touristen aus Europa und den USA Schmuck und Bekleidung verkaufen wollen. „Komm in meinen Laden, ich heiße Nina Ricci“, versucht etwa Fafou die Kunden zu locken. Was schon deshalb nicht einfach ist, weil nebenan Catherine Deneuve und Claudia Schiffer ein ähnliches Sortiment aus Blumenhalsbändern und anderen Kleinigkeiten anbieten.
Die Annahme der Namen prominenter Vorbilder wird von den modernen Marketenderinnen auf Gorée als verkaufsfördernd eingestuft, weil die Urlauber das witzig finden. Ein Garant für gute Umsätze ist diese Maßnahme allerdings nicht.
Daisy Lamothe hat in „Komm in meinen Laden“ die tristen, aber auch die fröhlichen Seiten des Alltags der jungen Senegalesinnen unprätentiös ins Bild gerückt.
Das wirkt auf den ersten Blick in Konzeption und Kameraführung gewöhnungsbedürftig, weil wir hier eher unvermittelt mit einem Aspekt der Folgen von Globalisierung im Tourismus konfrontiert werden. Wer sich darauf einlässt, wird aber in diesem Beitrag der Arte-Reihe „Geschichten von Arm und Reich“ eine durchaus erhellende und ungeschminkte Sicht von Senegalesinnen auf die Reisenden der Ersten Welt erhalten.
RAINER BRAUN