der kommentar : Das Lernen steht Kopf
In Rheinland-Pfalz darf die Schule nun auch Eltern volljähriger Schüler informieren. Mutig! Fehlt nur noch mehr Autonomie für die Minderjährigen
Als die Richter des pfälzischen Verfassungsgerichtshofs die Selbstständigkeit volljähriger Schüler einschränkten, wollten sie nicht Hobbypädagogen spielen. Sie hatten den 19-jährigen Amokläufer von Erfurt im Auge, dessen Eltern gar nicht gewusst hatten, dass ihr Sohn längst von der Schule geflogen war. Die Entscheidung sollte dennoch pädagogische Konsequenzen haben. Es wird Zeit, den Lernern jenseits der 18 einen engeren Rahmen zu stecken.
Das ist kein Plädoyer für die Rückkehr zu Rohrstockpädagogik oder der Ruf nach der verschulten Universität. Die Sache ist komplizierter. Kurz gesagt: Die unter 18-Jährigen brauchen mehr Autonomie. Sie müssen befreit werden aus den schulischen Hühnerkäfigen von engem 45-Minuten-Takt und peniblen Lehrplänen. Dafür zeigt die Erfahrung an den Unis: Dort irrlichtern immer mehr Studis umher. Freiheit und Einsamkeit, Humboldts Lerntheorie, bekommt in den Massenunis des 21. Jahrhunderts oft eine bittere, beinahe suizidale Komponente.
Vielleicht helfen die Koblenzer Richter dem Bildungssystem auf die Beine – denn es steht Kopf. Die Auslese von Zehnjährigen fürs Gymnasium ist eine Selbstverständlichkeit – aber Elitenauswahl an Unis gilt als verpönt. In Kitas sind Gebühren von 400 Euro monatlich akzeptiert – aber Studis demonstrieren gegen einen Halbjahresobolus von 500 Euro. CHRISTIAN FÜLLER