: Notwehrrecht für Klimaschutz reklamiert
Pressesprecher des Hamburger Klimacamps vom Amtsgericht wegen Widerstands verurteilt. Obwohl die Auflösung einer Kundgebung durch die Polizei wahrscheinlich rechtswidrig war, hätte er sich polizeilichem Zwang beugen müssen
Für Tadzio Müller ist klar: Das Verfahren geht in die nächste Instanz. „Ich habe mich zu Recht in Notwehr einer rechtswidrigen Auflösung durch die Polizei widersetzt“, behauptet der Pressesprecher des Klimacamps, das im August 2008 in Hamburg aufgebaut war. Zuvor hatte ihn Richter Rolf Waßmann vom Amtsgericht Harburg wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Strafe von 150 Euro verurteilt. Waßmanns Leitsatz: „Die Polizei hat immer Recht.“
Der Vorfall ereignete sich am Abend des 20. August: 40 Klimaschützer hatten das Gelände des geplanten Vattenfall-Kohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg besetzt und sich von den Kränen abgeseilt. Klimacamper standen den Akteuren mit einer Spontankundgebung zur Seite.
Gegen 21.30 Uhr löste die Polizei die Demonstration auf. Da Musik gespielt werde, handele es sich nicht mehr um eine politische Versammlung. Zudem wolle die Polizei nach Hause, der Einsatz sei schon teuer genug. Die Direktive kam wohl aus dem Polizeipräsidium. Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) hatte gegenüber den Politcampern die Devise „Kein Pardon“ ausgegeben. Derweil hingen die Kletterer noch in den Seilen.
„Ich setzte mich im Glauben, dass ich rechtens handele, auf die Straße“, sagte Tadzio Müller dem Gericht. Er sei von Nachbarn eingehakt worden, habe sich jedoch nicht aktiv gegen die Räumung gesträubt. Der Polizist Michael L. sagte aus, den „Rückhaltegriff“ angewandt zu haben, um Müller durch Schmerzen gefügig zu machen, was jedoch wegen des Einhakens misslungen sei.
Obwohl selbst der Staatsanwalt einräumte, es sei nicht mehr zu klären, „wer hier wen eingehakt hat“, glaubte Richter Waßmann der Version des Polizisten L. „Warum sollte er Sie belasten?“, fragte Waßmann unter Gelächter im Saal. Und auch wenn die Auflösung rechtswidrig gewesen sein sollte, sei das irrelevant, da man sich dem Zwang der Polizei zu beugen habe, befand Waßmann.
Das hatte Müllers Anwältin Maren Burkhardt in ihrem Plädoyer in Frage gestellt. Eine Klage vor dem Verwaltungsgericht dauere fünf Jahre. Da es um bedeutende Werte wie Klimaschutz gegangen sei, habe Müller ein Notwehrrecht gehabt. „Da macht man nicht eine Demonstration in fünf Jahren“, sagte Burkhardt. „Dann ist das Kraftwerk längst gebaut.“ KAI VON APPEN