: Der Supermann will‘s richten
Lange hat Arnold Schwarzenegger gezögert – jetzt will er in die kalifornische Politik und dort, wie es eben seine Art ist, mal so richtig aufräumen
von HARALD FRICKE
Seit gestern weiß man, warum Arnold Schwarzenegger gezögert hat. Der Entschluss, für das Amt des Gouverneurs von Kalifornien zu kandidieren, erklärte Schwarzenegger bei seiner Pressekonferenz in Los Angeles, sei ihm so schwer gefallen wie zuletzt nur „das bikini waxing im Jahr 1978“. Wachsenthaarung als Strapaze auf dem Weg zum Erfolg. Da spricht der Profi, der als Muscle man eben auch über babypoglatte Haut verfügen muss. Etwa in der Rolle von Conan, dem lederbeschürzten Barbaren. Da hätten haarige Oberschenkel das schöne Bild vom geölten, muskulösen Krieger nur gestört.
Die glatte und ehrliche Haut
Vielleicht ist eine glatte Haut aber auch eine ehrliche Haut. Das zumindest scheinen sich eine Menge Wähler und Wählerinnen in Kalifornien zu wünschen, die eine Stinkwut auf ihren jetzigen Gouverneur Gray Davis haben. Der Demokrat soll im Oktober abgewählt werden, und der Andrang von Kandidaten, die Davis aus dem Amt kicken wollen, ist groß. Insgesamt sollen sich 389 Personen zur Wahl gemeldet haben. Dazu reicht nach kalifornischem Gesetz eine einfache Formalie: Wer 65 Unterschriften sammelt, darf kandidieren.
Da ist zum Beispiel der kleinwüchsige Serienschauspieler Gary Coleman, der als verantwortungsbewusster Afroamerikaner aus der Mittelklasse vor allem gegen die hohe Kriminalität im Bundesstaat vorgehen will. Oder Larry Flint, der „Hustler“-Besitzer und Hardcore-Millionär, der zur Aufbesserung der desaströsen Finanzlage Kaliforniens mehr Spielautomaten aufstellen lassen will, damit Geld in die mit über 38 Milliarden Dollar verschuldete Staatskasse kommt. Wer will, kann auch blond wählen. Dafür steht die 22-jährige Pornodarstellerin Mary Carey, die sich für mehr Orgasmen und weniger Gewalt einsetzt und auf ihrer Homepage www.marycarey.com auch Uncle-Sam-T-Shirts verkauft, für 10 Dollar das Stück.
Jetzt sucht Kalifornien den Supergouverneur. Dass die Wahlen sich zu einem wohl auch internationalen Spektakel mit hohen Einschaltquoten auswachsen dürften, merkt man daran, wie wichtig für Schwarzenegger die mediale Inszenierung ist. Nach langem Hin und Her und diversen Rückziehern – immerhin denkt Schwarzenegger schon seit 1999 über einen Posten in der Politik nach – gab er am Mittwochabend zur Primetime in Jay Lenos „Tonight Show“ auf NBC seine Entscheidung bekannt. Das Studiopublikum johlte, es gab standing ovations, und Jay Leno grinste als Moderator über seinen Coup. Dabei hätte ein Blick auf die Produktionsnotizen des kommenden Jahres genügt, um sich ein Bild von Schwarzeneggers politischen Absichten zu machen: Für 2004 steht in seiner schauspielerischen Karriere schon länger nur eine Nebenrolle an.
Locker saß Schwarzenegger mit offenem weißen Hemd bei Leno auf der Talkshow-Couch, plauderte ein bisschen über den Erfolg von „Terminator 3“, der in vier Wochen über 130 Millionen Dollar in den USA eingespielt hat, und wurde dann deutlich. „I will clean house“, dieser Satz passt gut ins schwarzeneggersche Repertoire der knappen Formeln und fügt sich auch ins Bild vom Mann der Tat, wie man es aus seinen Filmen kennt. Hier will einer ausmisten, hier will einer endlich wieder „für die Menschen da draußen entscheiden“, das ist die Linie des 1947 geborenen Österreichers, der aus einem Dorf in der Steiermark kam und heute mit George W. Bush befreundet ist. Zuletzt war Arnie am 4. Juli bei den US-Truppen im Irak zu Besuch, das gehört zu seiner Mission als Patriot und assimilierter Emigrant, der 1983 die US-Staatsbürgerschaft erhielt.
Überhaupt scheint sich in Schwarzeneggers Kandidatur durchaus ein ernsthaftes Engagement der US-Öffentlichkeit für Politik nach dem 11. 9. zu spiegeln. Wo so viel von Bürgerpflicht die Rede ist, kann ein wenig mehr popular culture bei der Krisenbewältigung nicht schaden. Schließlich hat es der Präsident selbst vorgemacht: Immer wieder hat sich Bush wie ein Akteur aus alten Hollywood-Streifen gebärdet, sich vor den Präsidentenköpfen am Mount Rushmore in Positur gebracht, auf Flugzeugträgern in Pilotenmontur Szenen aus Tom-Cruise-Filmen nachgestellt.
Die Kulturindustrie schlägt zurück
Jetzt schlägt die Kulturindustrie zurück. In einem Land, das seine gesellschaftliche Teilhabe so sehr über Logos und Images definiert, gilt auch in der Politik das Primat visueller Representativität. So ist Schwarzeneggers Kandidatur der Höhepunkt einer Entwicklung, mit der es Kulturschaffende an den Machtpol zieht. Auch das ist sehr amerikanisch, schließlich reicht die Liste von Kandidaten für politische Ämter vom Las-Vegas-Sänger Sonny Bono bis zum bärbeißigen Wrestling-Champion Jesse Ventura, der 1998 in Minnesota zum Gouverneur gewählt wurde. Mit Schwarzenegger könnte nun wenigstens Kalifornien einen Filmhelden bekommen, der – anders als Ronald Reagan – stets die Rolle des beschützenden Supermanns übernahm. Das schafft Sicherheit, wenigstens in der Imagination.
Umgekehrt braucht man bei Schwarzenegger keine Hardliner-Politik zu befürchten: Er setzt sich für die Rechte von Homosexuellen ein und gilt als Befürworter der Abtreibung. Damit steht er auf der Seite der gemäßigten Republikaner, und er ist in seinen Ansichten einem Liberalismus näher, als es den Falken im Weißen Haus lieb sein dürfte. Bei tatsächlichen Problemen, etwa um die mexikanisch-kalifornische Grenze, zieht er es allerdings vor, zu schweigen – wahrscheinlich käme ein „Hasta la vista, Baby“ nicht sonderlich gut an.
Stattdessen steht er uneingeschränkt für den amerikanischen Traum. Schwarzenegger, der wegen seiner großzügigen finanziellen Unterstützung für die Erforschung des Holocaust vom Simon Wiesenthal Center mehrfach ausgezeichnet wurde, verkörpert nicht bloß den „Last Action Hero“, sondern auch den guten Nachbarn, der sich um die Belange seiner Community kümmert. Er hat vier Kinder, ist mit Maria Shriver, der Nichte von Edward M. Kennedy, verheiratet und frönt keinen allzu fragwürdigen Leidenschaften – außer dem von ihm in L. A. betriebenen Schatzi Restaurant. Einem wie ihm wäre sogar zuzutrauen, dass er die Staatsschulden zusammen mit ein paar Hollywood-Kumpels wie eine Rechnung an einer teuren Hotelbar begleicht, am besten mit Master Card oder American Express.
Aber reicht das schon als Programm für den Posten als Gouverneur? Tatsächlich soll Schwarzenegger ein positives Gegenbild des marode gewordenen Bundesstaats abgeben, er soll eine sympathische Identifikationsfigur an der Spitze als Werbung für Investoren sein. Die Politik werden andere gestalten, so wie auch Bush von seinen Beratern lebt.
Es ist seine unerschütterliche Geradlinigkeit, die Schwarzenegger den Spitznamen „Austrian Oak“ eingebracht hat. Wie eine Eiche stand er auch vor den Kameras, lächelte, was das korrigierte Kinn hergab, und bekundete immer wieder, dass „Politiker nur ihre Spezialinteressen verfolgen, aber keine Schritte zum Wohl der Menschen machen“. Dagegen setzt er auf ein politisches Außenseitertum, das mehr über die Probleme im Alltag weiß als irgendwelche Harvard-Zöglinge und Bürokraten. Doch die Welt seiner Wähler kennt auch er nicht, dafür ist Beverly Hills viel zu weit von den Problemzonen in Oakland, San Diego oder South Central entfernt. Nur der Slogan zur Kampagne steht schon fest. Auf T-Shirts konnte man Arnies Konterfei sehen, dazu die Worte „Arnold 4 Governator“. In der Typografie der Terminator-3-Werbung, versteht sich.