: Crime atroce
Die Ermordung des Ehemannes galt im Frankreich des sechzehnten Jahrhunderts als so genanntes crime atroce, bei dem, wenn ein vollständiger Beweis vorlag, die Todesstrafe obligat war. So erklärt es Dorothea Nolde in ihrem Buch „Gattenmord. Macht und Gewalt in der frühneuzeitlichen Ehe“ (Böhlau Verlag, Köln 2003, 462 Seiten, 59 Euro). Der Spielraum der Richter bei der Verurteilung von Mörderinnen betraf lediglich die Todesart: Scheiterhaufen oder Schwert.
Ganz anders sah es aus, wenn der Ehemann seine Frau in flagranti beim Ehebruch ertappt und im Affekt umgebracht hatte. Hier erteilte das Pariser Parlement, die höchste Gerichtsinstanz des Ancien Regime, häufig Gnadenbriefe. Begründet wurden diese mit dem Argument des „gerechten Schmerzes“ der Männer. Im umgekehrten Fall, bei der Ermordung des untreuen Ehemanns durch die Frau, fiel dieses Argument kaum ins Gewicht, da der Frau kein Recht auf Selbstjustiz zugesprochen wurde.
Viele Rechtsgelehrte der Zeit vertraten die Ansicht, dass Frauen geringer bestraft werden müssten als Männer, da sie diesen an Verstand und Willensstärke eindeutig unterlegen seien: „Man muss auch das Geschlecht berücksichtigen, da es nicht vernünftig ist, dass ein armes Weibchen mit der gleichen Härte bestraft werden soll wie die Männer, denen es zur Ehre gereicht, den Frauen an Stärke und Tugend überlegen zu sein und ihnen ein gutes Beispiel zu geben“, äußerte sich der Rechtsanwalt Jean Duret im Jahre 1572.
Andere, wie André Tiraqueau, stimmten zwar mit der Meinung überein, dass der Verstand der Frau zwischen Mann und Tier anzusiedeln sei. Doch könne für Vergehen wie Mord und Totschlag selbst „ein Tier ohne Verstand“ strafrechtlich voll belangt werden, und folglich auch Frauen, die doch „ein wenig davon besitzen“. Auch unterstellte Tiraqueau den Frauen „Arglist“, was Straffmilderung aufgrund mangelnden Verstands ausschloss. In der Praxis wurde der Grundsatz der geringeren Bestrafung der Frauen daher meist ignoriert.
Formulierungen bei der Verurteilung zum Tode wie suffisamment atteint, hinreichend überführt, wiesen auf die Vollständigkeit des Tatnachweises hin. Bei einer nicht vollständig geklärten Beweislage wurde als Strafe meist die Folter verhängt. Die Tatsache, dass mehr Frauen als Männer zur Folter verurteilt wurden und auch die Zahl der Berufungen gegen Folterurteile bei den weiblichen Angeklagten weit höher lag als bei den männlichen, weist darauf hin, dass die Richter es in den Verfahren gegen Frauen häufiger mit einer ungeklärten Beweislage zu tun hatten.
In der Tat unterschieden sich die Beweismittel, die gegen Männer und gegen Frauen angeführt wurden, erheblich: Bei den Frauen waren die drei häufigsten Beweismittel ein unmoralischer Lebenswandel, Streit in der Ehe sowie verdächtiges Verhalten nach der Tat, beispielsweise wenn die Frau nach dem Tod oder Verschwinden des Ehemannes keine ausreichende Trauer gezeigt hatte. Bei den Männern dagegen wurden am häufigsten Geständnisse, frühere Gewalttätigkeit gegenüber dem Opfer sowie Tatspuren als Beweise angeführt. Bei den Berufungsurteilen von Fällen, in denen die erste Instanz den vollen Beweis eines Gattenmordes für erbracht sah, hielt das Parlement in immerhin dreizehn Prozent aller Verfahren gegen Frauen und nur in sechs Prozent derjenigen gegen Männer das Beweismaterial nicht für ausreichend, um eine definitive Verurteilung vorzunehmen. SWE