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Archiv-Artikel

Gentest mit zu vielen Verdächtigen

Studenten wehren sich gegen die Fahndungsmethoden der Bochumer Polizei

FREIBURG taz ■ Gefahndet wird nach einem Mann, der in und um Bochum seit 1994 zehn Frauen vergewaltigte und der es bei weiteren acht Frauen versuchte. Anhand zahlreicher Spermaspuren weiß die Polizei, dass es sich immer um den gleichen Täter handelte. Auch die Tatorte liegen in einem engen Umkreis.

In den letzten Monaten bat die Polizei in der Kleinstadt Sprockhövel und später auch im Bochumer Uni-Stadtteil Querenburg alle männlichen Deutschen mittleren Alters zu einer Speichelprobe. Doch die Fahndung im Uni-Millieu provozierte ungewohnten Widerstand. Mehr als 70 Studenten haben schon angekündigt, dass sie aus Prinzip nicht am Gentest teilnehmen wollen. Einer von ihnen, der angehende Jurist Roman Boukes, will den Fall sogar „bis zum Bundesverfassungsgericht“ durchfechten.

Bisher wurden 6.400 Speichelproben genommen, teilt die Staatsanwaltschaft Bochum mit, mindestens weitere 3.500 sollen noch folgen. Offiziell ist der Massentest freiwillig. Allerdings wurde bei etwa 100 der 6.400 Personen die Teilnahmepflicht durch das Amtsgericht Bochum ausdrücklich angeordnet. Wer kein wasserdichtes Alibi für die Tattage vorweisen kann, muss sich testen lassen.

Dagegen legten etwa 20 Personen Beschwerde ein. Die Chancen beim Landgericht Bochum sind aber nicht gut. In einem ersten Beschluss hielten die Richter die erzwungene Speichelentnahme für zulässig. Auf den Kläger habe der Zeitpunkt des Zuzugs, das Alter und die sonstigen Merkmale gepasst. Auch habe es eine Ähnlichkeit mit zwei Phantombildern gegeben.

Allerdings sind die Fahndungsvorgaben der Polizei denkbar weit. Der Täter sei 25 bis 45 Jahre alt, zwischen 1.75 und 1.85 Meter groß, Deutscher und habe eine enge Bindung an die Tatregion. Diese Beschreibung passt auf sehr viele der männlichen Einwohner von Sprockhövel und Querenburg, zumal sich die sieben Phantombilder stark unterscheiden. Hier setzt nun die Kritik von Roman Boukes an. „Es kann nicht sein, dass fast jeder als verdächtig gilt, nur weil er in der Gegend wohnt.“ Auch Boukes hat Widerspruch eingelegt und wartet derzeit auf die Entscheidung des Landgerichts.

Die Strafprozessordnung ist eigentlich klar. Erzwungene Gentests sind nur an „Beschuldigten“ möglich, es muss also zumindest ein begründeter Anfangsverdacht bestehen. Die bloße Weigerung, an einem freiwilligen Test mitzuwirken, kann noch keinen Verdacht bewirken. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1995 festgestellt.

Faktisch erklärt die Staatsanwaltschaft nun tausende von Bürgern zu Verdächtigen, um die Tests lückenlos durchführen zu können. Das halten Boukes und sein Anwalt Johannes Pausch für unzulässig. Auch hier erinnern sie an die Karlsruher Entscheidung von 1995. Damals hatten die Richter den Test an 750 Münchener Porschefahrern gebilligt, weil in Tatortnähe ein entsprechendes Fahrzeug gesehen wurde. „Schon das war zu großzügig“, meint Anwalt Pausch, „aber 10.000 Personen zu Verdächtigen zu erklären, ist eindeutig unverhältnismäßig.“

Die Einstufung als Verdächtiger hatte für Boukes bereits Folgen. Die Polizei fragte bei seinen Eltern sowie seinem Arbeitgeber nach Alibis. „Die Polizisten sagten,“ so empört sich der 28-jährige Testverweigerer, „gegen mich laufe ein Ermittlungsverfahren wegen mehrfacher Vergewaltigung.“ CHRISTIAN RATH

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