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Archiv-Artikel

Mit der Flut raus aus der Krise

Die vom Hochwasser betroffenen Gemeinden übertrieben bei der Angabe der Schadenshöhe. So können sie jetzt eine Luxussanierung durchführen

Für Umsatzeinbrüche oder ausbleibende Touristen gibt es keine Entschädigung

aus Dresden MICHAEL BARTSCH

Aus Schaden lässt sich kräftig Profit schlagen. Das gilt ganz besonders für die Wiederaufbauhilfen nach der Flutkatastrophe des letzten Jahres. Die Pegel waren kaum gesunken, da begann schon der Wettlauf um die Gelder, die die Europäische Union und die Bundesregierung zur Verfügung stellten. Sachsen-Anhalt meldete eine Schadenshöhe von 6 Milliarden Euro, von denen nach gründlicher Prüfung ganze 900 Millionen übrig blieben. Auch Sachsen musste seine Zahlen nach unten korrigieren. Mit 4,4 Milliarden Euro erhielt es aber nach zähen Verhandlungen den Löwenanteil aus dem 7,1 Milliarden Euro umfassenden Fluthilfefonds.

Während in Magdeburg Bauminister Karl-Heinz Daehre erklärte, die Gelder für Sachsen-Anhalt würden wahrscheinlich ausreichen, kündigte Bundes- und Europaminister Stanislaw Tillich in Dresden im Juni einen Fehlbetrag von 1,6 Milliarden Euro an. Doch auch das war eine falsche Zahl und Ende Juli musste der stellvertretende Regierungssprecher Hartmut Haeckel zugeben, dass die Zahl „nicht belastbar“ sei.

Zahlentreiber sind nicht die privaten Haushalte oder die Gewerbebetriebe, sondern die Kommunen. Diese hat es zweifellos hart getroffen, aber sie haben auch die einmalige Chance erkannt, in der Infrastruktur einen Sprung nach vorn zu tun. Der Freistaat hatte ihnen einen hundertprozentigen Ausgleich für die Verluste und Zerstörungen zugesichert. Und so rutschte Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt schon im September letzten Jahres die Bemerkung heraus, es handle sich bei den Fluthilfen um ein gewaltiges Investitionsprogramm für den Freistaat.

Bewohner der Landeshauptstadt Dresden können dies anschaulich nachvollziehen. Straßenzüge, die noch mit den teuren König-August-Gedächtnissteinen gepflastert waren, werden generalsaniert. Sackgassen erhalten einen Straßenbelag, der die Qualität von Autobahnzubringern erfüllt. Bisherige Lücken im Elberadweg können nun geschlossen werden.

Bei privaten Hausbesitzern oder Gewerbetreibenden dürfte zu viel Förderung dagegen eher die Ausnahme bleiben. Derzeit werden, wie bei allen Fördermaßnahmen üblich, die ersten Verwendungsnachweise geprüft. Die mit der Schadensregulierung beauftragte landeseigene Sächsische Aufbaubank SAB sprach von 300 Fällen, in denen Rückforderungen denkbar wären. Bei 71.000 eingegangenen Anträgen eine vergleichsweise niedrige Zahl. Für Wohngebäude sind davon 80 Prozent bearbeitet worden, die Eigentümer erhielten insgesamt 612 Millionen Euro. Die gewerbliche Wirtschaft hat zu 98 Prozent bereits ihre Förderbescheide erhalten, 677 Millionen Euro wurden bewilligt. Weder in Sachsen noch in Sachsen-Anhalt ist ein Betrieb bekannt, der flutbedingt aufgeben musste. Weil der Höchstfördersatz auf 80 Prozent begrenzt war, verbleibt aber den privaten Flutopfern ein Restrisiko. Die mit der Bundesregierung ausgehandelte Schadensdefinition schließt außerdem mittelbare und Folgeschäden aus. Umsatzeinbrüche, wegbleibende Touristen oder Kunden werden also nicht erfasst.

Trotz des leidigen Formularkrams und trotz einzelner Fehlleistungen ist die übergroße Mehrheit der Bürger mit der Arbeit der Aufbaubank zufrieden. Der Schadensausgleich erfolgt nach der Hierarchie: Versicherungsleistung – staatliche Fluthilfe – Spendenvergabe. Die Aufbaubank konnte noch keine Angaben machen, in welcher Höhe Versicherungen einsprangen. Niemand vermag außerdem solide zu schätzen, in welcher Höhe Spenden unmittelbar und ohne Quittung an Hilfsbedürftige gelangten. Auf offiziellem Wege aber sind über Wohlfahrtsorganisationen und Vereine schier unglaubliche 340 Millionen Euro Spenden eingegangen. Ein „Lenkungskreis Spenden“ unter Vorsitz des ehemaligen Sozialministers Hans Geisler verteilte sie nach Antrag, Selbstauskunft und Bedürftigkeitsprüfung. Geisler kann bereits auf den „Boden“ des Spendentopfs sehen: Die Gelder sind zu 95 Prozent abgeflossen.