Der schwarze Wunderblock

Friedrich Christian Flick finanziert eine unabhängige Studie über das Flick-Imperium in der NS-Zeit

Die bemerkenswerte Nachricht anlässlich der Baubegehung der Rieckhalle hinter dem Hamburger Bahnhof in Berlin kam en passant: Friedrich Christian Flick, der ab dem 22. September in der umgebauten Speditionshalle seine Sammlung zeitgenössischer Kunst zeigen will, wird eine Studie über die Geschichte seiner Unternehmerfamilie während der NS-Zeit finanzieren. Mit der Erarbeitung und Veröffentlichung wurde das Institut für Zeitgeschichte in München beauftragt. Der Sammler scheint inzwischen verstanden zu haben: Der Schritt, mit seiner Kunstsammlung in die Öffentlichkeit zu gehen, ersetzt nicht die kritische Debatte hinsichtlich des ererbten Vermögens und der damit verbundenen Unternehmensgeschichte. Im Gegenteil: Er macht sie notwendig.

Weiteres zum Projekt konnte oder wollte Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, auf der Pressekonferenz am Dienstag nicht sagen. Zu kurzfristig wurde das Übereinkommen wohl getroffen. Nicht einmal in den Presseunterlagen ist es dokumentiert. Doch so viel versicherte Lehmann noch: Dem Münchner Institut würden von Seiten Flicks alle notwendigen Unterlagen für die Untersuchung zugänglich gemacht. Nun wäre das Institut auch schlecht beraten, seinen guten Ruf für eine „Alibiveranstaltung“ zu riskieren. Diesen Vorwurf erhebt Michael Fürst, Mitglied im Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland, gegen die Stiftung. Er sagte gegenüber der Netzeitung, bei der Aktion gehe es lediglich darum, „den Kritikern Sand in die Augen zu streuen“.

Man muss seine Einschätzung nicht teilen, um das Institut für Zeitgeschichte und sein Projekt genau zu beobachten. Zunächst fällt auf: Das von der Politik viel beschworene zivilgesellschaftliche Engagement wird nicht belohnt. Der „Verein Dokumentation Zwangsarbeit e.V., Gesellschaft für aktive Bürgerbeteiligung“ bleibt – wie bei Förderung und Ausstellungsmöglichkeit – außen vor. Parallel zur Ausstellung in der Rieckhalle plante der Verein eine Dokumentation zum Thema Zwangsarbeit mit Fokussierung auf den Unternehmer Friedrich Flick, den Großvater des Sammlers.

Das Angebot Peter-Klaus Schusters, Direktor der Staatlichen Museen zu Berlin, an den Verein, bei den Begleitveranstaltungen seines Hauses mitzuwirken, sollte der Verein nicht annehmen. Denn was zurzeit geplant ist, sieht nach Schaulaufen aus. So soll den Ausstellungsbesuchern etwa eine kostenlose Zeitung angeboten werden. Darin wird sich der Sammler ausgerechnet im Gespräch mit Eugen Blume, dem Kurator seiner Ausstellung, zu Familiengeschichte, Entnazifizierung und seinem Verhältnis zur Kunst äußern. Nach Blumes bisherigen Äußerungen steht zu befürchten, dass der Kunsthistoriker ein ähnlich unbedarftes Verständnis von Geschichte hat wie der Kunsthistoriker Peter-Klaus Schuster. Der pries die kommende Sammlung jetzt als so revolutionär, zeitgemäß und trashig, dass er gleich meinte, eigentlich sammle Friedrich Christian Flick „entartete Kunst“. Kommt so doch noch Licht in eine Äußerung von Christina Weiss? Im Beisein des Kanzlers sagte die Kulturstaatsministerin im letzten Jahr, Flick schließe mit seiner Sammlung „in Berlin die Wunde, die die Nazizeit geschlagen hat“.

Gegen derlei Irrsinn hilft wohl auch nicht das Eröffnungssymposion zur Ausstellung: „Die Macht der Sammler und die Verantwortung der Museen“. Bemerkenswert: Unter diesem Titel hatte die taz in Kooperation mit dem ZDF und der Berlin Kunstmesse Art Forum schon im letzten Herbst eine Podiumsdiskussion zu Flick veranstaltet. Die Verantwortlichen bei Stiftung, Museum und Politik waren damals terminlich verhindert und mussten ihre Teilnahme absagen. Dem widerspricht nicht, dass sie vorgestern sagten, sie seien für diese Diskussion immer offen gewesen. Denn, wie der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, gnädig zu konzedieren bereit ist, diese Diskussion sei „zulässig“.

Tatsächlich musste aber erst Salomon Korn, stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats, sehr pointiert den Sammler zum Verzicht auf seine Ausstellung aufrufen, damit die von Anfang an Angesprochenen sich erstmals genötigt sahen, zu reagieren. Sie, die sich nun über eine „Reizkampagne“ und „Polemik“ beklagen, waren anders zu einer Stellungnahme in der Debatte gar nicht zu bewegen. Und auch jetzt, wo der Sammler den Fragen hinsichtlich der dunklen Quellen seines familiären Reichtums nicht mehr ausweicht, hat die Debatte über die öffentliche Verantwortung der Museen im Umgang mit machtbewussten Sammlern nicht begonnen.

Dass die Stiftung die Kosten der öffentlichen Hand für die „Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof“ in den Unterlagen erneut zu niedrig ansetzt, deutet nicht auf Verantwortungsbewusstsein hin. Auch die Direktoren der großen Museen, die auf das Symposion geladen sind, werden zum Thema nichts beitragen. Zwar sind sie alle von Sammlern Düpierte – doch wer könnte es sich leisten, das zuzugeben? Der schwarze Blechcontainer, als der sich die ohne architektonische Mätzchen auf den technisch neuesten Stand gebrachte Speditionshalle zu erkennen gibt, ist noch immer weniger Wunderblock als Büchse der Pandora.

BRIGITTE WERNEBURG