Stochern in der Grauzone

Sondersitzung des Innenausschusses zu den Vorwürfen gegen den umtriebigen Staatsrat Walter Wellinghausen: Diesmal ist Innensenator Ronald Schill der Verteidiger und tut alles, um den für ihn unentbehrlichen Mitarbeiter zu schützen

Es sickern nun mal Informationen durch, daran müssen wir uns gewöhnenZahlungen seien nicht an Wellinghausen, sondern an seine Kanzlei geflossen

von PETER AHRENS

Die Rollen haben sich vertauscht. Vor drei Jahren saß Ronald Schill auf der Anklagebank, und sein Verteidiger Walter Wellinghausen warf sich für ihn in die Bresche. Gestern brauchte Wellinghausen, mittlerweile zum Staatsrat der Innenbehörde aufgerückt, die Hilfe von Schill. Auf der Sondersitzung des Innenausschusses, der sich gestern mehrere Stunden mit den zahlreichen Vorwürfen gegen den 60-jährigen Staatsrat befasste, tat Schill alles, um den für ihn unentbehrlichen Wellinghausen zu schützen: „Ich vertraue dem Staatsrat, und zwar uneingeschränkt.“ Bereits zu Beginn der Sitzung, die seit Wochen mit Spannung erwartet worden war, gab der Senator eine Ehrenerklärung für seine rechte Hand ab: „Als Mensch und Politiker habe ich keine Zweifel an der Integrität meines Staatsrats Wellinghausen.“ Eine Richtschnur, unter die Schill seine gesamten Antworten im Folgenden stellte.

Teilweise aggressiv, teilweise süffisant versuchte er vor allem die Vorwürfe, die die SPD unter den Themenkomplex des Geheimnisverrats zusammenfasste, zu entkräften. Wenn Wellinghausen beschuldigt werde, er habe interne Ermittlungsergebnisse gegen die Hamburger SPD an einen Bild-Journalisten weitergegeben, dann wolle die Sozialdemokratie lediglich davon ablenken, das „sie selbst mein Büro monatlich ausspioniert hat“. Dies sei eine „ungeheure Tatsachenverdrehung“.

Als die SPD-Abgeordnete Gesine Dräger wissen wollte, wie es denn komme, dass allein die Bild-Zeitung über die Ermittlungen gegen die SPD berichtet habe – drei Tage, nachdem Wellinghausen sich mit einem Bild-Journalisten getroffen haben soll – antwortete Schill nur: „Ach, manchmal ist die eine Zeitung vorn, mal die andere.“ Die Innenbehörde „sei bedauerlicherweise wie ein gläsernes Studio: Es sickern nun mal Informationen durch, daran müssen wir uns gewöhnen.“ Dass sich Pressevertreter in Schills Büro aufhielten, „gehört zur Normalität“. Der frisch aus dem Urlaub zurückgekehrte Staatsrat selbst schwieg zu den meisten Fragen und verwies auf das laufende Ermittlungsverfahren in dieser Angelegenheit, in dem er noch als Zeuge aussagen werde. Das galt auch für den Wissensdurst von SPD und GAL, warum sämtliche Termine aus dem elektronischen Kalender Wellinghausens, in dem auch das Gespräch mit dem Bild-Journalisten vermerkt hätte sein müssen, gelöscht wurden. Auch in puncto der Wellinghausen zur Last gelegten Nebentätigkeiten wies Schill alle Vorwürfe gegen seinen Ausputzer in der Behörde zurück.

Die Honorarzahlungen der Radiologenpraxis an Wellinghausen, für die der Staatsrat früher als Anwalt tätig gewesen war, seien nicht an Wellinghausen, sondern an seine frühere Kanzlei geflossen, wollte Schill glauben machen. Dass das Geld trotzdem direkt an Wellinghausen gegangen sei, habe rein überweisungstechnische Gründe.

Und dass Wellinghausen aus seiner Zeit als Anwalt noch „nachwirkende Pflichten gegenüber alten Mandanten“ zu erfüllen habe, sei doch eine Selbstverständlichkeit. Lehrer oder Politologen, so Schill, die hätten sicherlich damit keine Probleme, wenn sie in die Politik gehen und mit ihrem Berufsleben abschließen könnten. Aber Leute aus der Wirtschaft oder Anwälte, für die gelte so etwas nicht. Dann holte der Innensenator zum Amusement der Abgeordneten erst einmal weitschweifig zu einer Suada heraus, wie traurig es doch sei, wie wenige Unternehmer und Rechtsanwälte in der Politik doch tätig seien und dass diese dann auch noch „in den Schmutz gezerrt werden“. Konkrete Antworten, die auch der CDU-Obmann im Ausschuss, Carsten Lüdemann, mehrfach einforderte, ließen jedoch auf sich warten.

Nur einmal nickten auch SPD- und GAL-Abgeordnete heftig mit dem Kopf. Als Schill gleich zu Beginn feststellen musste: „Wir befinden uns hier in einer Grauzone.“

Die Anhörung dauerte gestern Abend bei Redaktionsschluss noch an.

PORTRÄT siehe SEITE 13