: Terror ohne Ende
Hohes Hysterielevel: Max Barrys trashiger Globalisierungsroman „Logoland“
Die Kritik an der Globalisierung kommt in den Sachbuch-Charts gleich hinter 9/11-Bewältigung, Michael Moores Bush-Beschimpfung und erotischen Ratgebern zu „Sextechniken, die Sie verrückt machen“. Aus dem trockenen Fachwissen ist Alltagsstoff geworden, und die monokulturelle Orientierung der ökonomischen Welt hat noch immer einiges an Erregungspotenzial. Insofern war abzusehen, dass irgendwann ein Globalisierungsroman vorliegen würde, der es aus der Nische linker Bedenkenträger auf den Popmarkt schafft.
Dieser Sprung ist Max Barry offenbar gelungen. Der 1973 geborene Australier bringt die entsprechende Biografie mit: Er hat erst Computersysteme für Hewlett-Packard verkauft und danach mit „Syrup“ eine Satire über die Marketingstrategien des Coca-Cola-Imperiums geschrieben. Das war 1999, kurz vor dem Niedergang der IT-Branche, was ihm die Entscheidung, sich ganz auf Schriftstellerei zu konzentrieren, sicher leichter gemacht hat. Jedenfalls liest sich sein neuer Science-Fiction-Thriller „Logoland“ wie eine geheime Recherche aus dem Inneren der Bestie, besitzt aber genug Lockerheit, um die Verstrickungen multinational operierender Firmen in einer schnell absurrenden Action-Story aufgehen zu lassen.
Vielleicht liegt es daran, dass die Fronten bei Barry dermaßen klar aufgeteilt sind: Die Guten arbeiten als Agenten der sich brav gegen die Korruption wehrenden australischen Regierung; die Bösen fahren Ferrari und schrecken vor Mord nicht zurück, wenn nur die Bilanzen stimmen; und die Rebellen rebellieren, weil sie ein Leben zwischen McDonald’s und Shoppingmalls nicht mehr leben wollen.
Manchmal ist auch Liebeskummer im Spiel, das schweißt alle Beteiligten zusammen. Buy Mitsui handelt mit Aktien, würde seine Zeit aber lieber mit Jennifer Government verbringen, die jedoch gegen ihren Exlover John Nike kämpft, der bei einer zynischen Werbekampagne für 2.500 Dollar teure Turnschuhe ein paar jugendliche Käufer killen lässt, damit das Produkt an Aufmerksamkeit zulegt. Hack Nike wiederum, der als kleiner Angestellter aus der Vertriebsabteilung mit dem Killerkommando beauftragt wird, kommt mit Violet nicht mehr klar, die an einem Virusprogramm für Industriespionage arbeitet, und bandelt deshalb mit ihrer Schwester Claire an, die in einer Aktivistengruppe Säureattentate auf Fast-Food-Restaurants organisiert. Nebenbei greifen noch diverse NRA-Scharfschützen ins Geschehen ein, da der Konkurrenzkampf der zwei übrig gebliebenen Superkonzerne in einen realen Weltkrieg auszuufern droht.
Wer bei so viel Holzschnitt in der Handlung und dem unentwegt hohen Hysterielevel an ein Computer-Game denkt, liegt nicht falsch. Barry scheint es diebische Freude zu bereiten, seine Figuren ohnmächtig taumelnd ins Survival-Camp der Corporate Identitys und Trademarks zu schicken. Da bleibt kaum Platz für politische Diskussion, erst recht nicht für Gespräche, die über den Frust im Job oder das Beziehungsdurcheinander hinausgehen. Die Verstümmelung im Individuellen treibt den Terror nur voran, darin ist „Logoland“ eine Übersetzung von Naomi Kleins „No Logo“-Manifest in extrem stumpfe Gewaltfantasien. Steven Soderbergh und George Clooney hat dieser kalt wütende Blick auf die Trashverhältnisse von morgen überzeugt. Sie haben sich bereits die Rechte an einer Verfilmung von „Logoland“ gesichert. HARALD FRICKE
Max Barry: „Logoland“. Aus dem Englischen von Anja Schünemann. Heyne Verlag 2003, 398 Seiten, 12 €