: „Paläste in der Wildnis“
„Schwebende Lasten II“ in der aEnergieleitzentrale: Studierende der HfK erobern neue Orte im alten Überseehafen
Wenn Marina Steinacker auf dem Turm der Hansa-Lagerhaus GmbH steht und zwei rot-weiße Flaggen nach dem internationalen Winkerflaggenalphabet schwenkt, sind die Rahmenbedingungen dafür schriftlich reglementiert: Sie haftet selbst und muss für ausreichend Absturzsicherung sorgen. Die Behörden sollen informiert werden, und alles, was über die vereinbarten zwei Stunden pro Tag hinausgeht, gilt als Überstunde und kostet 40 Euro.
Den Sicherheitsregeln des Hafenbetriebs muss sich auch die sonst so freie Kunst fügen: Die Aktion ist eine Performance, in der es um die Schwierigkeiten der Verständigung geht. Steinacker studiert Bildende Kunst an der Hochschule für Künste Bremen in der Klasse von Yuji Takeoka, die sich ab heute mit einer Ausstellung in und um die ehemalige Energieleitzentrale neben dem Speicher XI präsentiert. Unter dem Titel „Schwebende Lasten II“ zeigen die 18 Studierende ihre Arbeiten aus den Bereichen Installation, Aktionskunst, Malerei und Fotografie.
Dabei lassen sich einige von der maritimen und industriellen Umgebung inspirieren. „Save a Wave“, fordern Margret Ros und Verena Müller an ihrem Aktionsstand zum Kauf einer Welle im Einmachglas auf, und stellen damit die Frage nach dem Nutzen von Konsum: „Ist es nicht sinnvoller, eine Welle zu besitzen, als die neueste Schönheitscreme?“
Draußen auf einer Landzunge im Hafen hat Corinna Koch mit ihrer Installation „Segel gesetzt“. Auf Leinen gespannte Laken flattern im Wind und erinnern an Fernweh und an ein Winken zum Abschied. „Wenn man durch den Hafen fährt, kommt dabei immer ganz viel hoch“, sagt sie.
Doch nicht alle betrachten die Verquickung von Hafen und Kunst mit Ironie oder Seefahrtsromantik. In spartanischer Kühle präsentiert sich die Installation von Branka Colic, die ein Büro im Stil der 60er eingerichtet hat - der Zeit, als der Handel im Bremer Hafen florierte. Monochrome Farbflächen in grau und grün und kubische Formen bestimmen die Gemälde von Christian Schuppan. Mit seinen „bildern über das verhalten von ideen“ wirft er ein kritisches Licht auf das Konzept, die ehemaligen Hafenanlagen kulturell zu beleben und bis 2030 zur Überseestadt werden zu lassen: „Da wird versucht, Paläste der Kreativität in die Wildnis zu stellen.“ Der Hafen ist für ihn ein „entkörpertes Gebiet ohne Leben“ und zusätzlich ein Brennpunkt krimineller Übergriffe. Kulturelle Zentren wie den Speicher XI stellt er als Hochsicherheitstrakt dar, der sich gegenüber seiner Umgebung abschottet.
Das kann Detlef Kniemeyer, Geschäftsführer der Überseestadt GmbH, nicht nachvollziehen: „Gerade in Verbindung mit der Hochschule ergeben sich doch wunderbare Entwicklungschancen für den Hafen. Dass sie in den Räumen des Speichers untergekommen ist, hat nach sich gezogen, dass sich dort auch andere kreative Berufe angesiedelt haben.“ Falls die Finanzierung bewilligt wird, soll die Energieleitzentrale im kommenden Jahr der Hochschule dauerhaft zur Nutzung überlassen werden. Angeblich haben auch das Bremer Theater und das Musikfest Interessen angemeldet.
Atmosphärisch jedenfalls kann sich die Kunst schon mal nicht von der Hafenumgebung abschotten: Auch als Ausstellungsraum hat die Energieleitzentrale nichts von ihrem industriellen Charme verloren. Die kahlen Räume geben der Ausstellung den Charakter einer Werkschau, die einen collagenhaften Einblick in das Arbeitsspektrum der Kunststudenten eröffnet. Klassenlehrer Yuji Takeota gefällt der Gedanke, dass das Gebäude einmal eine Energieleitzentrale war: „Mit Kunst wollen wir schließlich auch Ideen weiterleiten und verbreiten.“
Anne Rullmann
Die Ausstellung „Schwebende Lasten II“ eröffnet heute um 18 Uhr und ist bis zum 25. Juli zu besichtigen. Öffnungszeiten täglich 14 bis 20 Uhr