: Köln kriegt was auf die Ohren
Beim Festival „KlangRaum/RaumKlang“ der Kunsthochschule für Medien lassen sich im akustischen Overkill neue Töne entdecken. Wer will, kann mit ihnen auch einen Bummel durch die Stadt machen
Von Holger Möhlmann
Knirsch, knarz, krrrr – so klingt der menschliche Körper. Mit morschen Gelenken hat das nichts zu tun, dafür mit horchenden Kissen. „Trio“ heißt die Arbeit von Frauke Eckhardt: drei Stühle mit verkabelten Perlenkissen als Sitzfläche. Man setzt Kopfhörer auf, nimmt Platz und hört – sich selbst, den eigenen Klangkörper. Eingebaute Sensoren verzeichnen jede noch so zarte Bewegung auf dem Holzperlen, senden jede Wendung des Körpers, jedes Anwinkeln der Beine dröhnend in Richtung Ohr.
Die empfindlichen Lauschkissen sind nicht die einzigen Hörspiele im Kölner Rathausfoyer, und nicht nur dort gibt es zur Zeit einen Satz heißer Ohren. Anlässlich des Festivals „KlangRaum/RaumKlang“ hat sich die ganze Stadt in eine einzige klingende Ausstellung verwandelt, die hauptsächlich in Galerien, aber auch auf Plätzen, in Innenhöfen und eben im Spanischen Bau des Rathauses stattfindet.
Man begegnet Klangkörpern der besonderen Art, zum Beispiel Björn Schülkes nervösen kleinen Puscheln, die wie feuerrote Pumuckl-Perücken aussehen. Kommt man ihnen zu nahe, werden sie unruhig, fangen an zu rotieren und Warntöne in gereiztem Stakkato von sich zu geben. Andere Arbeiten spielen mit dem Ertasten von Tönen oder dem Klang des Windes.
Wer will, kann mit den Tönen auf die Reise gehen: Einfach im Spanischen Bau Christina Kubischs Spezialkopfhörer ausleihen und einen „Electrical Walk“ unternehmen, einen Klangspaziergang in Eigenregie. Und den Strom hören, der uns umgibt – den Sound von Straßenbahnleitungen und Trafokästen, von Lampenstrom und Elektrosmog.
Das Gehör ist ein vernachlässigter Sinn, so die These des Music Department an der Kunsthochschule für Medien Köln, die das Festival für aktuelle Klangkunst zum vierten Mal ausrichtet. Vernachlässigter Sinn? Schwer vorstellbar angesichts, oder besser: angehörts einer permanenten Geräuschflut, die eher an akustischen Overkill als an Vernachlässigung denken lässt.
Doch Alltagstöne gehen unter, wir hören schon lange nicht mehr hin. Die Klanginstallationen wollen unser Ohr neu schulen, wollen vergessene Klänge wieder ins Bewusstsein bringen. Und sie wollen zeigen: Klangkunst – das muss nicht zwangsläufig Musik sein. Moderne Klangkunst verbindet akustische und optische, haptische und räumliche Elemente. Und sie holt sich ihre Inspirationen aus der Geräuschkulisse der Umwelt.
„KlangRaum/RaumKlang“, bis 1.8., verschiedene Orte in Köln, Infostand im Rathaus, Spanischer Bau, oder unter www.klangkunst.de