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Archiv-Artikel

Chodorkowski ist sich keiner Schuld bewusst

Russlands reichster Mann, Ex-Jukos-Chef Chodorkowski, bezeichnet sich vor Gericht als unschuldig. Die gegen ihn erhobenen Betrugsvorwürfe nennt er absurd. Ein Kompromiss mit dem Kreml wird immer unwahrscheinlicher

MOSKAU taz ■ Das Moskauer Gericht hat gegen den Exchef des russischen Ölkonzerns Jukos, Michail Chodorkowski, elf Anklagepunkte erhoben: von Betrug in der Höhe von fast 300 Millionen Dollar bei der Privatisierung der Düngemittelfabrik Apatit über Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe bis hin zur Gründung einer „kriminellen Vereinigung“ mit dem Ziel, dem Staat zu schaden. Dem Multimilliardär drohen bis zu zehn Jahren Haft.

Gestern wies Chodorkowski, der bei der Insiderprivatisierung Mitte der 90er-Jahre märchenhaft reich geworden ist, in einer kurzen, dafür umso deutlicheren Rede alle Anschuldigungen zurück. Da sowieso jedem klar sei, dass das Verfahren politisch motiviert ist, wolle er gar nicht näher darauf eingehen, erklärte er. Die Anklagen seien absurd, er werde diese im Verlauf des Prozesses widerlegen. Der Betrugsvorwurf bei der Privatisierung betrachtet er als Versuch, die Unzulänglichkeiten des damaligen Privatisierungsgesetzes und der zuständigen Staatsorgane auf ihn abzuwälzen.

Selbst die Steuerschulden von Jukos stellte er im Gegensatz zur derzeitigen Führung des Konzerns offen in Abrede. Diese Vorwürfe seien absolut unverständlich, erklärte Chodorkowski. „Jukos hat nicht weniger Steuern bezahlt als andere Unternehmen, sondern mehr.“

Zum Schluss seines Plädoyers warnte er, diese „Demonstration der Macht, die das Gesetz nicht achtet, ist gefährlich für die Entwicklung des Landes“. Chodorkowskis mitangeklagter Partner Platon Lebedew ging noch einen Schritt weiter und erklärte, es sei Beweismaterial gefälscht worden. „Die Behörden verfolgen mich aus politischen oder anderen Gründen.“

Die harschen Worte tönten nicht nach Kompromiss zwischen den Jukos-Hauptaktionären und dem Kreml, den Optimisten immer noch für möglich halten. Doch in die gleiche Richtung wies diese Woche die Aufforderung Chodorkowskis, den eben erst an die Spitze von Jukos gewählten Wiktor Geraschenko wieder abzusetzen. Vom Exzentralbankchef, der über gute Kontakte in die Regierung verfügt, hatte man sich einen Deal mit den Behörden erhofft. Doch der Kreml zeigte auch Geraschenko gegenüber keinerlei Anzeichen von Nachgiebigkeit.

Allerdings scheint auch Chodorkowski noch nicht sein letztes Angebot gemacht zu haben: Er bot zwar bereits zweimal seine Jukos-Aktien zur Begleichung der Steuerschuld von 3,4 Milliarden Dollar an, um Jukos vor dem Konkurs zu retten. Doch nicht zum Nulltarif: Chodorkowski verlangt zumindest eine Entschädigung durch den Konzern und wohl auch ein Entgegenkommen in seinem Prozess. Derweil beschlagnahmten Gerichtsvollzieher die Aktienregister der Jukos-Töchter in Neftejugansk in Sibirien und Samara an der Wolga. Erste Pfändungen und das Zerbrechen des Konzerns dürften nicht mehr lange auf sich warten lassen, wenn Chodorkowski nicht bald klein beigibt und seinen 35-Prozent-Anteil an Jukos umstandslos dem Staat abtritt. ZITA AFFENTRANGER