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Archiv-Artikel

Fahrzeugbauer MAN fährt Trittbrett

Nach Siemens und Daimler will jetzt auch MAN längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich durchsetzen. Auch wenn Unternehmen schwarze Zahlen schreiben, spüren sie den Druck, Kosten zu sparen: Der Kapitalmarkt fordere es einfach

„Wenn sich die 40-Stunden-Woche durchsetzt, wollen wir vorn dabei sein“

AUS BERLIN NICOLA LIEBERT

Wenn Siemens und DaimlerChrysler ihre Mitarbeiter länger arbeiten lassen wollen, will der Nutzfahrzeug- und Maschinenbaukonzern MAN nicht zurückstehen. „Wenn sich die 40-Stunden-Woche langsam wieder durchsetzt, wollten wir lieber vorn dabei sein als hinterherzulaufen“, sagte der scheidende Vorstandschef Rudolf Rupprecht in der Financial Times Deutschland. Gemeint ist auch hier Mehrarbeit ohne Lohnausgleich.

Im Dieselmotorenwerk Augsburg, das schwarze Zahlen schreibt, hat man für so etwas kein Verständnis. „Bei uns arbeitet doch sowieso niemand mehr 35 Stunden“, echauffiert sich der stellvertretende Betriebsratschef Peter Zettl. Nach einer Betriebsvereinbarung würden Kollegen teilweise auch ohne Zuschläge bis zu fünf Stunden pro Woche mehr arbeiten. Die von den Arbeitgebern geforderte Flexibilität sei also gegeben, und Probleme habe man stets betriebsintern einvernehmlich lösen können. „Wir verstehen nicht, warum Herr Rupprecht jetzt an die Öffentlichkeit geht“, schimpft Zettl. „Die Kollegen sind stinksauer.“ Der Vorstand habe wohl Angst, den Anschluss zu verlieren, wenn jetzt allerorten die Arbeitszeiten erhöht werden.

Wie DaimlerChrysler, wo die Proteste gegen die geplanten Kosteneinsparungen heute fortgesetzt werden, geht es MAN dabei durchaus nicht schlecht. In den ersten fünf Monaten des Jahres stieg der Umsatz im Jahresvergleich um zehn Prozent, der Auftragseingang schoss um 22 Prozent in die Höhe. Der Gewinn soll dieses Jahr 400 Millionen Euro erreichen – das wäre eine Steigerung um satte 70 Prozent.

Einem Firmensprecher zufolge müssten aber einzelne Betriebsteile vor roten Zahlen bewahrt werden – nur darum ginge es. Betriebsrat Zettl vermutet: „Das Geschäft im Dieselwerk läuft nicht schlecht, aber einige Leute haben offenbar mehr Gewinne erwartet.“ Warum der Konzern seinen Aktionären Dividenden auszahlen kann, aber trotzdem angeblich am Hungertuch nagt, kann er nicht verstehen. Reichen 400 Millionen Gewinn nicht?

Nicht unbedingt. Ob ein Konzern schwarze Zahlen schreibt, ist allein längst nicht mehr der Maßstab. Stattdessen interessiert, ob er so viele Gewinne macht wie die Konkurrenz oder ob er Renditen erwirtschaftet, die über denen von alternativen Investitionen etwa in Wertpapieren liegen. Bei Mercedes liegt die operative Marge, also die Erträge vor Abzug aller möglichen Kosten bezogen auf den Umsatz, bei 5,4 Prozent, was eigentlich nicht schlecht klingt. Aber BMW erreicht eben acht Prozent.

Der Return on Invested Capital, also das Ergebnis bezogen auf das investierte Kapital, ist in vielen Konzernen zur zentralen Steuerungsgröße geworden. MAN will dem Konzernsprecher zufolge im längerfristigen Durchschnitt eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals von 15 Prozent erreichen: „Das sind die Ziele, die vom Kapitalmarkt gefordert werden.“ 15 Prozent klingt verglichen mit den Zinsen etwa für Staatsanleihen kann, nach sehr viel. Aber erstens, wiegelt der Sprecher ab, gingen von dieser Rendite ja noch Steuern, Rücklagen und andere Kosten ab, und zweitens erwarten Anleger bei einer Investition in riskantere Aktien eben einen gewissen Risikoaufschlag. Liefert eine börsennotierte Firma die erwarteten Erträge auf Dauer nicht, dann würde der Aktienkurs nachhaltig absacken. Wenn das Unternehmen dann neues Kapital aufnehmen will, würde das viel teurer, und überdies drohten feindliche Übernahmen.

Ein Investmentfondsmanager bestätigt: „Natürlich achten die Analysten auf die Einhaltung bestimmter Kennzahlen, denn der Anleger will doch wissen, was für eine Rendite er für sein Kapital bekommt.“ Und hierbei stehe Deutschland im internationalen Vergleich eben nicht sehr gut da.

Ob allerdings ausgerechnet längere Arbeitszeiten das Problem beheben könnten, ist dem Kapitalmarktexperten zufolge eine ganz andere Frage. Strukturelle Verbesserungen wie mehr Flexibilität der Arbeit oder ein einfacheres Steuersystem mit niedrigeren Sätzen könnten zu größerer Wettbewerbsfähigkeit viel mehr beitragen.