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Archiv-Artikel

Walfänger auf Stimmenfang

Durch umfangreiche Werbung von Neumitgliedern könnten die Stimmenverhältnisse bei der heute beginnenden Konferenz der Walfangkommission IWC mal wieder eng werden. Zum Kippen des Wahlfangmoratoriums von 1986 reicht es aber noch nicht

AUS STOCKHOLMREINHARD WOLFF

Das Geschacher um den kommerziellen Walfang ist ein Kampf um kleine Inseln geworden. Nationen mit einem Staatshaushalt, der dem einer deutschen Kleinstadt entspricht, sind die Beute. Zum Beispiel der Südsee-Inselstaat Tuvalu, der heute erstmals an einer Jahrestagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) teilnimmt.

Die 11.000 EinwohnerInnen Tuvalus haben mit Walen eigentlich nichts zu schaffen. Doch hinter ihrem plötzlich erwachten Interesse steckt – Japan. Und diese Walfangnation darf nun davon ausgehen, dass sich der kleine Inselstaat bei der Stimmabgabe treulich an die Linie Nippons hält und für den ungehinderten Walfang stimmt.

Durch konsequente Werbung solcher IWC-Neumitglieder könnte sich die Stimmenzahl der Pro-Walfang-Länder bei der diesjährigen 56. IWC-Konferenz im italienischen Sorrent auf 27 erhöhen, befürchtet der World Widelife Fund (WWF). Im Jahr 2000 waren es noch 9. In der IWC sind aktuell 58 Staaten organisiert. Neben Tuvalu haben die Staaten, die für eine Freigabe des Walfangs kämpfen, ihre Fraktion noch mit Surinam und Mauretanien aufgefüllt. Dafür soll Tuvalo nicht nur der IWC-Jahresbeitrag bezahlt, sondern auch die Finanzierung des ein oder anderen Entwicklungshilfeprojekts in Aussicht gestellt worden sein.

Von den Walfanggegnern wird das kritisiert. Mehr passiert aber nicht, sitzen sie doch selbst im Glashaus: Im Mai war etwa Ungarn beigetreten mit einer möglichen Stimme für die Walschützer. Dabei hat sich wohl noch nie ein Wal in der Donau verirrt. Geld soll allerdings nicht geflossen sein. Und als jüngster Neuzugang schloss sich erst am vergangenen Donnerstag Belgien der IWC an, auch dies nach Experteneinschätzung eine Stimme gegen die Walfang-Freigabe.

Es waren ohnehin die Gegner des Walfangs, die mit solcher Unterwanderungstaktik die IWC verändert haben. Ursprünglich war sie lediglich ein Verein der Walfangnationen, der die jährlichen Fangquoten verteilte. 1986 setzte sich dann aber mit Hilfe der Schweiz und Österreich – beide haben mit Walen schon aufgrund ihrer Binnenlage nichts zu tun – ein Moratorium gegen den kommerziellen Walfang durch, welches bis heute gilt.

In der Jagdsaison 2004 hat Japan laut WWF dennoch mehrere hundert Zwergwale offiziell zu „Forschungszwecken“ zum Abschuss freigegeben, Island 25. Der Zwerg- oder Minkewal ist die kleinste der Großwalarten. Dazu kommen 670 Freigaben aus Norwegen, das dem IWC-Moratorium nicht beigetreten ist. Außerdem jagen indigene Völker in Alaska, Grönland und Russland mit Billigung der IWC Wale zur Eigenversorgung.

Japan, Norwegen und Island wollen mit „ihrer“ IWC zurück zu den guten alten Zeiten der großen legalen Waljagd. Und in diesem Jahr könnte es nun tatsächlich knappe Abstimmungen geben, sagt der Greenpeace-Meeresexperte Thilo Maack. Durch die neuen Mitglieder herrsche nahezu eine Pattsituation. Um das Moratorium für den kommerziellen Walfang zu kippen, ist allerdings eine Zweidrittelmehrheit erforderlich – wirklich gefährdet ist es deshalb noch nicht.

Einig sind sich beide Seiten darüber, dass viele Walarten derzeit stärker durch Unterwasserlärm, Schadstoffe und den industriellen Fischfang als durch die Waljagd gefährdet werden: Allein in den Schleppnetzen der Fischtrawler sterben je nach Schätzung 100.000 bis 300.000 vor allem kleinere Wale. Trotz aller Schutzmaßnahmen gelten 7 von 13 Großwalarten weiterhin als gefährdet.

Auf der IWC-Jahrestagung 2003 in Berlin wurde deshalb ein Ausschuss zum Schutz der Walbestände aus der Taufe gehoben. Dieses Jahr soll er konkrete Maßnahmen gegen den ungewollten Beifang und Schiffskollisionen anstoßen.