: Kampf den Raubkopierern
Zur Musikmesse PopKomm zeigt sich die deutsche Unterhaltungsindustrie gebeutelt
BERLIN taz ■ Keine Partystimmung in der deutschen Musikbranche: Gestern, einen Tag vor dem Start der Musikmesse PopKomm in Köln, meldeten die großen Musikkonzerne dramatische Verluste. Im ersten Halbjahr betrug das Umsatzminus 17 Prozent. Im Vorjahreszeitraum lag das Defizit noch bei 10 Prozent.
Branchenriesen wie Universal Music, Sony Music und EMI machen illegal kopierte Musik-CDs für die Misere verantwortlich. Nach Angaben des deutschen Phonoverbands wurden im Jahr 2002 rund 259 Millionen CD-Rohlinge mit Musik gebrannt, aber nur etwa 165,7 Millionen CDs verkauft.
Abhilfe erhofft sich die Musik- und Filmindustrie vom neuen Urheberrechtsgesetz, das im September in Kraft tritt. Demnach ist künftig das Knacken des Kopierschutzes von CDs und DVDs verboten. „Wir erwarten, dass die Umsatzrückgänge zumindest gebremst werden“, sagt der Sprecher des deutschen Phonoverbands, Hartmut Spiesecke. Denn wer den Kopierschutz umgeht, muss demnächst mit Schadensersatzklagen rechnen.
Privatpersonen bleiben straffrei, solange sie nur eine Sicherheitskopie für den eigenen Gebrauch erstellen. Die Gesetzesnovelle trifft vor allem professionelle Raubkopierer. Sie arbeiten schon jetzt illegal. Ihnen drohen künftig Bußgelder oder Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr. Auch wer Copyright-geschützte Musik oder Filme von Tauschbörsen aus dem Internet herunterlädt, kann bestraft werden. Die Mehrheit der Dateien wird nämlich ohne Verbreitungsrecht angeboten.
Der Phonoverband schließt eine Klagewelle gegen professionelle Anbieter, also etwa Hersteller von PC-Programmen, die in irgendeiner Weise den Kopierschutz umgehen, nicht aus. Auch Zeitschriften, die Tipps zum illegalen Brennen geben, geraten ins Visier. „Wir werden aber keine PCs inspizieren“, so Spiesecke zur taz. Auch seien keine „konkreten Klagen“ gegen das private Herunterladen von Dateien geplant.
Selbst wenn es nicht zu Klagen kommt, sehen sich die Hersteller von Programmen, die den Kopierschutz von CDs, DVDs und Videospielen umgehen, als Opfer der Novelle. Müssen sie doch mit Umsatzeinbußen rechnen. So erzielt der Softwarehersteller S.A.D. aus Ulm rund 40 Prozent seines Umsatzes mit Kopierprogrammen. „Eine Verfassungsklage ist im Gange“, sagt Robert Knapp, Produktmanager bei S.A.D. „Aber wir werden die Umgehung des Kopierschutzes aus unserer Software entfernen.“
Der Film- und Musikindustrie geht die Novelle dagegen nicht weit genug. Spiesecke fordert, auch das Mitschneiden von bezahlten Sendungen der Radio- und TV-Stationen im Internet zu verbieten. Eckhart Peters, Sprecher des Justizministeriums, bestätigt: „Im September werden die beteiligten Gruppen erste Vorschläge zu weiteren Maßnahmen erarbeiten.“
Fraglich ist jedoch, ob das verschärfte Gesetz die Raubkopierer zähmt und den Umsatzrückgang der Industrie bremst. In den USA bewirkten ähnliche Maßnahmen wenig: Zwei Drittel der Internet-Nutzer interessiert nicht, ob sie bei Musik-Downloads aus dem Internet das Recht verletzen. ADALBERT SINIAWSKI