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Archiv-Artikel

Hartz IV schafft doch Arbeit – in Behörden

Um das ALG II irgendwie zu wuppen, gründen Senat und Agentur für Arbeit jetzt eine „Arbeitsgemeinschaft“ und stellen Hilfskräfte ein. Wirtschaftssenator Uldall scheitert beim Ausfüllen der Antragsformulare: „Das ist mir zu kompliziert.“

Von Markus Jox

Der Senat hat gestern die Umsetzung der Arbeitsmarktreform Hartz IV auf den Weg gebracht. Um die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II (ALG II) zu wuppen, kooperiere die Stadt mit der Agentur für Arbeit, teilte Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) mit. Für die Zusammenarbeit, die zunächst für sechs Jahre vereinbart wurde, habe man die Form einer „Arbeitsgemeinschaft“ gewählt, um „eine einheitliche Arbeitsmarktpolitik für die Empfänger des ALG II sicherzustellen“.

Hamburg hat sich mithin gegen die „Option einer kommunalen Trägerschaft“ entschieden. Das hätte bedeutet, dass künftig die gesamte Verantwortung für die Auszahlung des ALG II bei der Stadt gelegen hätte. Durch die Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens im Vermittlungsausschuss wäre eine große Stadt wie Hamburg kaum in der Lage gewesen, die nötigen Voraussetzungen bis Januar 2005 zu stemmen. Kommune und Arbeitsagentur wollten stattdessen „ihr jeweiliges Potenzial bei der Betreuung der ALG-II-Empfänger bündeln“, sagte Uldall. „Wir gehen davon aus, dass etwa 500 Mitarbeiter der Sozialämter und gut 270 Mitarbeiter der Agentur für Arbeit in der neuen Organisation beschäftigt werden.“

Jeder der beiden Partner solle sich zunächst um seine eigene „Kundengruppe“ bemühen, verlautbarte Uldall. Die Stadt ist damit für die 110.000 Sozialhilfeempfänger zuständig, die Agentur für Arbeit kümmert sich um die 70.000 Bezieher von Arbeitslosenhilfe. Während diese ihrer „Klientel“ derzeit – wie berichtet – höchst komplexe, bis zu 16-seitige Anträge zuschickt, will die Stadt bei den Sozialhilfeempfängern weitestgehend darauf verzichten. Die meisten der benötigten Daten habe man bereits, Mitarbeiter der Verwaltung könnten sie in die neue ALG-II-Software übertragen, glaubt der Senator. Nur „bei Bedarf“ solle telefonisch nachrecherchiert oder die Hilfeempfänger „in das Sozialamt eingeladen“ werden.

Er selbst halte den Fragebogen, den gestern auch der Hamburger Datenschutzbeauftragte kritisierte, für wenig verständlich, räumte Uldall ein. Selbst er „als ausgebildeter Volkswirt“ könne das Formular nicht ausfüllen: „Versuche, die ich bisher gestartet habe, habe ich nach fünf Minuten abgebrochen, weil es mir zu kompliziert war.“

Das sei kein Vorwurf an die Beamten, die den Fragebogen erstellt hätten, so Uldall. Das Formular gebe nur „den übertriebenen Regelungseifer“ hierzulande wider: „Jeder denkbare Einzelfall muss in Deutschland durch ein Gesetz geregelt werden.“

Vehement kritisierte Uldall die Regelung, dass für private Altersvorsorge lediglich 13.000 Euro pro Person anrechnungsfrei blieben. Ebenfalls fragwürdig seien die geringen Möglichkeiten des Hinzuverdienens durch Teilzeitjobs: „Wenn das Geld zum überwiegenden Teil gleich wieder einbehalten wird, ist der Anreiz zu Arbeiten dahin.“

Für die Zeit der Umstellung auf das neue ALG II würden in den Sozialämtern Überstunden angeordnet, teilte Uldall mit. Zudem engagiere man vorübergehend etwa 70 Assistenzkräfte. Weitere 180 Aushilfen würden von Oktober bis Dezember benötigt, um die Antragsdaten in die neue Software einzugeben – hier denke man auch an Studenten.

Die SPD begrüßte gestern den Beschluss des Senats. „Damit gibt es endlich Rechtssicherheit für die beteiligten Institutionen“, sagte Vize-Fraktionschefin Gesine Dräger. Allerdings sei die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit in Hamburg „seit 2002 vernachlässigt worden“. Die Entscheidung sei richtig, komme aber zu spät, sagte GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch. Die vorgesehenen 770 Stellen in der Arbeitsgemeinschaft seien „beschämend wenig“. Damit könne man „wie bisher nur verwalten“, aber die Arbeitslosen keinesfalls besser fördern. Um die in der Reform vereinbarten günstigeren Betreuungsschlüssel zu erreichen, seien – angelehnt an einen Handlungsleitfaden der Bundesagentur für Arbeit – „mindestens 1.500 Stellen“ notwendig.