: In der muslimischen Kultur normal
Angeklagter im zweiten Al-Qaida-Prozess verweigert die Aussage. Verteidigung sieht in einem Teil der Vorwürfe nichts weiter als einen „Teil einer arabischen Normalität“. Bundesanwaltschaft: 30-jähriger Marokkaner an Planung der Anschläge beteiligt
von ELKE SPANNER
Auf den ersten Blick scheint schon festzustehen, wie der Prozess gegen Abdelghani Mzoudi verlaufen wird. Er war ein enger Bekannter von Mohammed Atta, dem Hauptattentäter der Anschläge vom 11. September 2001 – ebenso wie Mounir al-Motassadeq, der im Februar vom Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) wegen Mitgliedschaft in Attas Terrorgruppe und Beihilfe zum Mord zu einer Haftstrafe von 15 Jahren verurteilt wurde. Wie Motassadeq soll auch Mzoudi ein „Statthalter“ der Gruppe in Hamburg gewesen sein.
Dennoch zeichnet sich nach dem gestrigen Prozessauftakt vor dem Hanseatischen OLG ab, dass die Bundesanwaltschaft (BAW) in Beweisnot geraten könnte. Während Motassadeq ausgesagt hatte, will sich der nun angeklagte Marokkaner nicht äußern.
Seine Verteidiger wollen nachweisen, dass viele der Taten, die Mzoudi als terroristische Unterstützungshandlung angekreidet werden, nicht mehr sind als „Teil einer anderen – arabischen – Normalität“.
Die Anklage wirft dem 30-Jährigen vor, sich 1999 in Hamburg mit den späteren Attentätern zu einer islamistischen Terrorgruppe zusammengeschlossen zu haben. Im Frühjahr 2000 habe Mzoudi mit Motassadeq und anderen in einem Ausbildungslager in Afghanistan die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon abgesprochen. Später soll er die Gruppe von Hamburg aus logistisch und finanziell unterstützt haben.
Die Rechtsanwältin Gül Pinar und ihr Kollege Michael Rosenthal haben ihrem Mandanten nach dem Urteil im Fall Motassadeq geraten, die Aussage zu verweigern. Aus dem Urteil spreche laut Anwalt Rosenthal ein „Mangel an Verständnis dafür, was in einem anderen Kulturkreis als normal gelten kann“. Die Verteidigung wolle versuchen, „diesem einseitigen Umgang mit wirklichen und vermeintlichen Indizien gegenzusteuern“.
Seine Hamburger Kollegin Pinar nannte ein Beispiel, in dem sie das Verhalten ihres Mandanten fehlinterpretiert sieht. Mzoudi wird vorgeworfen, den späteren Attentätern Atta und Marwan al-Shehhi Anfang 2000 seine Wohnung in der Marienstraße 54 als Tarnadresse zur Verfügung gestellt zu haben, als diese auf dem Weg zur Flugausbildung in die USA waren. Pinar hält dem entgegen, dass Mzoudi in der Angelegenheit keinesfalls „aktiv gehandelt“ habe. Vielmehr hätten sich Atta und al-Shehhi, die zuvor in der Wohnung gelebt hatten, bei ihrem Auszug nicht abgemeldet.
Bundesanwalt Walter Hemberger verwehrte sich gegen die „Urteilsschelte“ im Fall Motassadeq. Der jetzt angeklagte Mzoudi sei jahrelang intensiv in die Gruppe um Atta eingebunden gewesen und habe aufgrund des „intimes Zusammenseins“ Kenntnis von den Attentatsplänen gehabt. Das aber müsse ihm in diesem Verfahren nachgewiesen werden: „So spektakulär die Anschläge vom 11. September waren, so unspektakulär wird hier die Beweisaufnahme.“