Körting räumt mit Schönbohms Rechtsbild auf

Innensenator will Urteil zu Hausräumungen berücksichtigen. Grüne: Ohrfeige für den Exinnensenator Schönbohm

Als späte Ohrfeige für den ehemaligen Berliner Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) hat der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Wolfgang Wieland, das Urteil zur Räumung eines besetzten Hauses in Friedrichshain bezeichnet. In der am Donnerstag bekannt gewordenen Entscheidung hatte das Verwaltungsgericht die Durchsuchung und Räumung der Rigaer Straße 80 am 29. Juli 1997 als rechtswidrig bezeichnet, weil keine richterliche Anordnung für den Polizeieinsatz vorgelegen hatte (taz berichtete).

„Die Polizei hat sich damals von dem Hauseigentümer missbrauchen lassen, der zu bequem war, den Gerichtsweg zu wählen“, erinnerte Wieland. Der damalige Innensenator habe die Polizei zu diesem Vorgehen „geradewegs angestiftet“, um die von ihm angestrebte „soziale Säuberung“ der Innenstadt von besetzten Häusern und Wagenburgen skrupellos durchzusetzen.

Von Schönbohm, heute Innenminister in Brandenburg, war keine Stellungnahme zu erhalten. Das Urteil betreffe „ausschließlich Berliner Regierungshandeln“, argumentierte ein Sprecher Schönbohms, dazu könne sich nur der Senat äußern.

Der heutige Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kündigte indes Kosequenzen an. Es sei glasklar, dass die Verwaltung künftig bei ähnlich gelagerten Fällen die Vorgaben des Gerichtes berücksichtigen werde. Aber das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Land kann noch Revision vor dem Oberverwaltungsgericht einlegen. Darüber müsse aber der Polizeipräsident entscheiden, so Körtings Sprecher. Die Polizei will sich dazu erst Anfang nächster Woche äußern. Die Urteilsbegründung liege auch der Polizei erst seit Donnerstag vor, so eine Sprecherin.

Am 29. Juli 1997 waren insgesamt drei Häuser von der Polizei geräumt worden. Der Einsatz „zum Schutz privater Interessen“ wurde damals von der Innenverwaltung mit den Vorgaben des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Asog) begründet. Eine richterliche Anordnung für den Polizeieinsatz gab es nicht. Genau dies bemängelte nun das Verwaltungsgericht. Es wertete den Polizeieinsatz wie eine Durchsuchung. Diese darf laut Asog außer bei Gefahr im Verzug nur durch einen Richter angeordnet werden.

Erstmals hat das Gericht in seinem Urteil auch einem Hausbesetzer die in Artikel 13 des Grundgesetzes garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung zuerkannt, obwohl er diese illegal nutzte. Auch wenn der klagende Exhausbesetzer unmittelbar nichts mehr von der Entscheidung habe, könne das Urteil weit reichende Konsequenzen haben, sagte sein Anwalt Gerhard Fuchs. „In der mündlichen Verhandlung hat der Vizepräsident des Verwaltungsgerichtes gesagt, selbst ein Obdachloser, der unter einer Brücke eine Hütte aus Pappkartons errichte und dort länger verweile, sei durch das Grundgesetz geschützt“, so Fuchs. Er könne somit ebenso wenig einfach durch die Polizei geräumt werden, wie länger existierende Hausbesetzungen oder Wagenburgen. In der Konsequenz sei eine Räumung daher nur noch unmittelbar nach der illegalen Inbesitznahme oder nach einer erfolgreichen Klage vor Gericht möglich, wie sie auch bei ganz normalen Mietern möglich sei. GEREON ASMUTH