: Radweg für Wellenreiter
Emschergenossenschaft präsentiert fertigen Radweg. Kein Grund zum Feiern für Beschäftigte — Weiterbildungsmaßnahmen werden gekürzt.
AUS GELSENKIRCHEN ULLA JASPER
Nach sechsjähriger Bauzeit hat die Emschergenossenschaft jetzt den fertig gestellten Emscher-Weg feierlich eröffnet. Der 107 Kilometer lange, Blaue Welle genannte Weg führt Wanderer und Radfahrer von der Emscherquelle in Holzwickede bis nach Dinslaken, wo der Abwasserbach in den Rhein mündet. Jochen Stemplewski, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, begrüßt die neue Ost-West-Achse: „Mit der vollständigen Nutzbarkeit entwickelt sich der ehemalige Meideraum Emscher wieder ein großes Stück weiter zum Naherholungsgebiet mit hohem Freizeitwert.“ Auch der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) äußert sich sehr positiv über die „Fahrrad-Schnellverbindung“ des Ruhrgebiets: „Der neue Weg wird von den Menschen sehr gut angenommen, weil er durch Areale und alte Industrieflächen läuft, die früher unzugänglich waren und dadurch viele spannende Eindrücke bieten,“ so Sprecher Ulrich Syberg.
Der Ausbau des Weges geht einher mit einem Umbau des gesamten Emschersystems, für den 4,4 Milliarden Euro eingeplant sind. Über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten soll das Emscher-Tal langfristig seine vielfältige, natürliche Vegetation wieder erhalten. „Durch die Fertigstellung des Weges sind wir unserer Vision von der „blauen Emscher“ wieder ein großes Stück näher gekommen,“ so Stemplewski. In seiner jetzigen Form wird der Weg aber nicht lange existieren. Im Zuge der Renaturierung soll die Emscher in den nächsten Jahren wieder ihr ursprüngliches, gewundenes Flussbett erhalten. Der jetzige Weg wird dann Schritt für Schritt den Veränderungen angepasst werden müssen. Syberg sieht darin dennoch keine Nachteile: „Die Menschen der Region können auf diese Weise den Umbau des Emschersystems miterleben und die Veränderungen sehen.“
Weniger positiv sind die Aussichten für die mehr als 200 Jugendlichen, die in das Projekt integriert wurden, um sie weiterzuqualifizieren und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Nachdem anfänglich geplant war, die Jugendlichen in ein- bis zweijährigen Qualifizierungsmaßnahmen für handwerkliche Berufe weiter zu bilden, mussten die Projekt nun wegen der Kürzung von Bundesmitteln auf sechs Monate begrenzt werden. Helmut Segger, Geschäftsführer der Landesentwicklungsgesellschaft Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklung (LEG AS), die die vom Land und der Bundesagentur für Arbeit bereitgestellten Mittel träuhänderisch verwaltet, räumt ein, dass die Weitervermittlungsquote nicht zufrieden stellend sei. „Die Hartz-Reformen führen dazu, dass wir weniger Geld für Weiterbildungen zur Verfügung haben und deshalb die Jugendlichen nur noch für sechs Monate betreuen und weiter qualifizieren können.“ Dadurch sei die Vermittlungsquote von anfänglich 60-70 Prozent auf nun maximal 30 Prozent gesunken, so Segger. Erheblich gefährdet ist damit die Umsetzung eines Beschlusses der Landesregierung von 1993, der fordert, schwer vermittelbare Arbeitslose beim Ausbau des Radwegenetzes und der regionalen Grünzüge weiterzubilden und sie so für den Arbeitsmarkt fit zu machen.
Für viele der Jugendlichen ist die jetzige Beschäftigung also nur ein Zwischenstopp auf dem Weg zurück in die Arbeitslosigkeit. Dass sie ihren Radweg gestern selbst mit einer Sternfahrt einweihen durften, ist da wohl nur ein schwacher Trost.