Kein Herz für Kinder

Szenen aus dem Innenleben einer Pressestelle: Wie die BILD-Stiftung „Ein Herz für Kinder“ und die Sozialbehörde bislang nichts retteten

„Könnten wir BILD was anbieten nach dem Motto: Ein Herz für Kinder schickt 20 Familien in Urlaub?“

Von Marco Carini

Anika Wichert, Sprecherin der Sozialbehörde, muss der Verzweiflung nahe gewesen sein. Da kommt die von der mächtigen Bild-„Zeitung“ ins Leben gerufene Stiftung „Ein Herz für Kinder“ auf die Behörde zu. Bietet ihr Kooperation und positive Schlagzeilen an. Will gar ein Projekt sponsern, für das Hamburg sonst kein Geld hat. Bittet um Anregungen und einen Termin mit Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU). Und was passiert? Niemand im ganzen Amtsapparat hat eine zündende Idee, welches vom Senat nicht mehr finanzierte Projekt von der Stiftung gerettet werden könnte – und die Sozialsenatorin steht mit leeren Handen da.

So geschehen Anfang Juli im Behördensitz Hamburger Straße. Ein auf einem Kopierer zurückgebliebener und von einem aufmerksamen Menschen an die taz weitergeleiteter Vermerk der behördeninternen Wichtigkeitsstufe „hoch“ legt davon beredtes Zeugnis ab: Jagdszenen aus dem Alltag einer Pressestelle.

Am 5. Juli also bekam Behördensprecherin Anika Wichert die Vorbereitungsmappe für das zwei Tage später terminierte Gespräch von „Ein Herz für Kinder“ mit der „Bgm II“, so das interne Kürzel für die Vizebürgermeisterin, auf den Tisch. Überall im Amt hatte die Sprecherin, die auch für die Weiterleitung privater Sponsorenangebote im Sozialbereich zuständig zeichnet, nach geeigneten Projekten Ausschau halten lassen.

Doch obwohl in der Hamburger Straße der Rotstift regiert, war den Beamten wenig eingefallen, was sie gern retten lassen würden. Ein einziger Vorschlag lag in der Mappe: die „Frühchen-Nachsorge“ des Kinderkrankenhauses am Wilhelmsstift könne man doch von Bilds Kinderherz finanzieren lassen. Ansonsten: Fehlanzeige.

„Ich finde, dass eine Sozialsenatorin – wenn sie dem Verein ‚Ein Herz für Kinder‘ gegenübersitzt – mehr als nur eine Idee für eine Kooperation haben muss“, befand Wichert und mailte diese Erkenntnis flugs in der halben Behörde herum. Den Mitarbeitern empfahl sie, sich beim Brainstorming nicht mit störenden Detailfragen aufzuhalten: „Genauer ausloten kann man es dann hinterher immer noch, was möglich und machbar ist.“

Kaputtgesparte Projekte verzweifelt gesucht: Und weil eine Behördensprecherin ja ein bisschen was mitbekommt, wo überall gestrichen wird, band die findige Wichert einen eigenen Strauß von bedrohten Aktivitäten, deren Finanzierung doch wohl outgesourct werden könnte. Etwa „Familienerholung: Müssen wir da manchmal Anträge ablehnen, weil das Kontingent erschöpft ist, und könnten wir da Bild was anbieten nach dem Motto: Ein Herz für Kinder schickt 20 Familien in Urlaub?“, lautet einer ihrer Vorschläge. Auch will Wichert wissen: „Was ist mit Suppenküchen für hungrige Kinder?“ oder „Was ist mit Mitternachtsbasketball oder -fußball? Da – so habe ich gehört – muss auch einiges eingestellt werden“, so ihre Fragen an den Behördenapparat. Und auf dass des CDU-Senats liebstes Medium auch genügend Futter bekomme, verlangt die Sprecherin gleich noch die sofortige Einbeziehung der Kinder- und Jugendhilfe und des Jugendamtes in die Suche nach bedrohten Aktivitäten.

Welche Projekte die geballte beamtete Kreativität noch zutage förderte, ist nicht überliefert. Bekannt hingegen wurde, dass das erste Treffen zwischen Senatorin und Stiftung ergebnislos blieb – noch immer ist ein gemeinsames Kooperationsprojekt nicht gefunden.

Das lässt die taz nicht ruhen. Unter dem Stichwort „Ein Herz für Bgm II“ fordern wir unsere LeserInnen auf, uns Vorschläge für von Bild zu rettende Projekte zuzusenden. Wir werden sie – versprochen – an Frau Wichert weiterleiten.

Vorschläge an: carini@taz-hamburg.de, Betr.: „Ein Herz für Bgm II“