: Wir brauchen keinen Arbeitszwang
betr.: Hartz IV
Dreißig Jahre habe ich als Krankenschwester gearbeitet (Tag und Nacht und auch rund um die Uhr an Wochenenden), zuletzt in leitender Funktion im OP. Durch Krankheit (Grad der Behinderung 50 %) bin ich in die Arbeitslosenhilfe gerutscht. Seit November 2003 beziehe ich Arbeitslosenhilfe in Höhe von ca. 800 Euro monatlich.
Ich verstehe die soziale Ungerechtigkeit nicht, die mir jetzt widerfährt. Die Bundesregierung sollte sich schämen, so mit jemandem umzugehen, der immer seiner Pflicht nachgekommen ist. Als Krankenschwester darf ich nicht mehr arbeiten, bekomme aber auch keine Berufsunfähigkeitsrente. Der Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente wurde im Revisionsverfahren vom Landessozialgericht in Schleswig niedergeschmettert. Einen Arbeitsversuch bei meinem Arbeitgeber musste ich im April 2003 abbrechen, weil ich physisch und psychisch am Ende war. Auf Anraten des Sozialverbandes Deutschland wurde erneut ein Rentenantrag gestellt, weil sich mein Gesundheitszustand, durch den ich in die Arbeitslosenhilfe gerutscht bin, erheblich verschlechtert hat. […] Reformen: ja; aber nicht auf diese Art und Weise. […] HEIDRUN MNICH, Kiel
betr.: „Armut ist nicht normal“ von Michael Opielka, taz vom 16. 7. 04
Ich kann und will mich nicht damit abfinden, mit 53 Jahren hilfebedürftig geworden zu sein. Seit meinem 15. Lebensjahr war ich erwerbstätig. Meinen Facharbeiterbrief erwarb ich schulbegleitend, zwei Staatsexamen und ein Diplom als Pädagogin berufsbegleitend. 1991 verlor ich zum ersten Mal meinen Arbeitsplatz. Seitdem hatte ich befristete Arbeitsverträge auf der Grundlage von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, von Zuwendungen für Projekte freier Träger der Jugendhilfe oder von Strukturanpassungsmaßnahmen. Unterbeschäftigt und untertariflich vergütet.
Diese Arbeitsplätze verlor ich durch die Sparpolitik des Landes Berlin oder der Bundesagentur für Arbeit. Nach einer Weiterbildung, einschließlich eines Praktikums, basierend auf dem Job-Aktiv-Gesetz, wurde ich wieder arbeitslos. Es sollten diejenigen zur Verantwortung gezogen werden, die Arbeitsplätze vernichten und reguläre angemessen vergütete nicht entwickeln. Gemeinnützige Tätigkeiten sind mir seit meiner Kindheit selbstverständlich. Dazu brauche ich und brauchen andere keinen Arbeitszwang. Ich empfinde es als dramatisch, wenn erwerbsfähige und erwerbswillige Menschen in die Bedürftigkeit oder gar mangelnde Bedürftigkeit gedrängt und so nicht nur wirtschaftlich abhängig vom Staat oder von der „Bedarfsgemeinschaft“ gemacht werden. KARIN DALHUS, Berlin
Im Zusammenhang mit dem In-Kraft-Treten von „Hartz IV“ und dem damit versuchten Übertragen der Verantwortung auf die Arbeitslosen für nicht vorhandene Arbeitsstellen hätte ich folgenden Vorschlag: Die so genannten „Arbeitsvermittler“ der Bundesagentur sollten doch mal nachweisen, wie viel Prozent ihre Vermittlungsquote ist. Selbst mit der Schaffung von privaten Arbeitsvermittlern und entsprechenden Gutscheinen ist es nicht gelungen, Arbeitssuchende auf nicht vorhandene Arbeitsplätze zu vermitteln (wie auch?). Die Arbeitssuchenden werden aber per Gesetz dazu gezwungen, sich auf nicht vorhandene Arbeitsplätze zu bewerben. Was liegt also näher, als den Betroffenen dafür die Schuld zu übertragen?
Die Lösung ist wahrscheinlich die schon jetzt praktizierte, dass Personen ungeachtet ihrer vorherigen Berufe und Qualifizierungen dazu gezwungen werden, für 1,50 Euro pro Stunde oder vielleicht auch gar nichts zu arbeiten. Vor langer Zeit gab es auch mal die Sklaverei, und Geschichte soll sich ja wiederholen. Hoffentlich habe ich damit nicht eine neue Gesetzesvorlage in diesem armen, reichen Deutschland angeregt. SIGMUND LEIB, Berlin