Erst gerettet, jetzt abgeschoben

In einer halblegalen Nacht-und-Nebel-Aktion hat Italien 5 der 37 Schiffbrüchigen der „Cap Anamur“ abgeschoben. 22 weitere in Abschiebecamps. Schily verteidigt Auffanglager in Afrika

ROM/BERLIN taz ■ 5 der 37 Afrikaner, die mit der „Cap Anamur“ nach Italien gelangt sind, wurden gestern in einer Eilaktion nach Nigeria abgeschoben. Dies bestätigte die Parlamentsabgeordnete Elettra Deiana (Rifondazione Comunista) der taz. Das italienische Innenministerium vollzog die Abschiebung, obwohl am Dienstag zwei Rechtsanwälte Widerspruch gegen deren Vollzug eingelegt hatten. Damit wurde den fünf Abgeschobenen – die auch ihre Rechtsanwälte nicht kontaktieren konnten – jenes richterliche Gehör versagt, das vom Verfassungsgericht mit einem Beschluss der letzten Woche zwingend vorgeschrieben wurde. Das Innenministerium machte sich dabei die Tatsache zunutze, dass das Urteil noch nicht im Amtsblatt publiziert ist.

Zugleich schafften die Behörden gestern Morgen auch jene 22 Afrikaner, für die die Asylkommission eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen empfohlen hatte, ins Abschiebelager Ponte Galeria bei Rom. Diese Aktion wurde von der Polizei im gleichen Stil durchgezogen, in dem die Behandlung der insgesamt 37 Afrikaner seit ihrer Landung am Montag letzter Woche erfolgte: Die Anwälte, der Italienische Flüchtlingsrat und auch die italienische Vertretung des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge wurden bis zuletzt in Unkenntnis über den Verbleib der 22 gehalten. Innenminister Giuseppe Pisanu stellte dann gestern Nachmittag in der Fragestunde des Abgeordnetenhauses klar, dass auch sie Abschiebekandidaten sind: Für „keinen der angeblichen Flüchtlinge“ seien die Bedingungen gegeben, um von der Anwendung des Ausländergesetzes – sprich: von der Ausweisung – Abstand zu nehmen. Der Innenminister kündigte damit unmissverständlich an, dass er sich auch über die Empfehlung der Asylkommission hinwegsetzen will.

Unterdessen versuchte das Bundesinnenministerium gestern, die Debatte über Auffanglager für Flüchtlinge in Nordafrika zu entschärfen. Schily hatte am Montag in Brüssel erklärt, dass die Einrichtung von Flüchtlingszentren in Nordafrika geprüft werden sollte. Zu den Lagern sollten EU-Beamte Zutritt haben, um Asylanträge zu prüfen. Sprecher Lingenthal sagte, das Flüchtlingselend auf dem Mittelmeer sei eine Herausforderung. Der Minister habe auch den Ausbau der Seenotrettung vorgeschlagen. In den Lagern sollte die Genfer Flüchtlingskonvention gelten. Daher widerspreche der Vorschlag nicht der EU-Flüchtlingspolitik. Das UN-Flüchtlingshilfswerk reagierte mit Skepsis. Flüchtlingszentren auf Territorien, die nicht zur EU gehörten, dürften rechtlich problematisch sein, sagte Sprecher Rupert Colville in Genf. In Nordafrika sei zudem die Europäische Menschenrechtskonvention nicht anwendbar. Deshalb hätten die Bewerber nicht die gleiche Rechtssicherheit wie in Europa.

MICHAEL BRAUN

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