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Archiv-Artikel

Nagelstich gegen Wellinghausen

Neue Vorwürfe und kein Ende: Jetzt erwägt der Innenstaatsrat bereits selbst, um seine Entlassung zu bitten und fühlt sich als Opfer einer Intrige. Opposition sieht „Gestrüpp von Vertuschung und Unwahrheiten“. Alles wartet nun auf den Bürgermeister

von PETER AHRENSund KAI VON APPEN

Der Rücktritt von Innenstaatsrat Walter Wellinghausen steht wohl unmittelbar bevor, nachdem am Wochenende neue Vorwürfe wegen unerlaubter Nebentätigkeiten gegen ihn erhoben worden sind. Im Komplex der Einflussnahme für seinen ehemaligen Mandaten und straffälligen Polizisten Olaf A. allerdings sieht sich der Staatsrat als Opfer einer polizeiinternen Intrige. In der gestrigen Ausgabe der Welt am Sonntag erklärte er, man habe ihm immer wieder gegen seinen Willen die Akte zur Bearbeitung auf den Schreibtisch gelegt, obwohl er sich nicht damit befassen durfte. „Ich wurde gezielt in die Falle gelockt“, sagte Wellinghausen, ohne Namen zu nennen. Damit bezichigt er indirekt Polizeipräsident Udo Nagel, den er selbst von München an die Elbe geholt hat. Denn in der Innenausschuss-Sondersitzung am vorigen Montag hatten Wellinghausen und Innensenator Ronald Schill ausgesagt, dass Polizeipräsident Udo Nagel die Akte zur Stellungnahme an die Innenbehörde gesandt habe.

Dennoch hat Wellinghausen nach den neuen Vorwürfen, die das Hamburger Abendblatt am Sonnabend veröffentlichte, erstmals öffentlich erwogen, selbst um seine Entlassung zu bitten. Der Staatsrat, dem mehrere Nebentätigkeiten sowie Verstöße gegen Verwaltungsrecht zur Last gelegt werden, sagte, er werde zunächst jedoch auf jeden Fall das Ergebnis der rechtlichen Prüfung der Vorwürfe durch die Senatskanzlei abwarten. „Ich werde nichts überstürzen und verantwortlich handeln“, gibt er sich noch einmal ganz staatsrätlich und -männisch.

Besonders Wellinghausens Vorstandstätigkeit für die Münchner Aktiengesellschaft Isar Klinik II scheint ihm letztlich einen Strick zu drehen. So soll der parteilose Staatsrat noch im Juni des Vorjahres für Isar II aktiv gewesen sein, schreibt das Abendblatt. Er habe noch an der Aufsichtsratssitzung vom 17. Juni 2002 teilgenommen und versucht, einen potenziellen Investor zu werben. Im Februar 2002 habe er zudem als Vorstand die Unterschrift unter einen außergerichtlichen Vergleich mit einem Mandanten eines Beratungsunternehmens gesetzt. Wellinghausen hatte noch am Montag vor dem Innenausschuss des Parlaments beteuert, er sei nach seinem Amtsantritt im Dezember 2001 nicht mehr als Vorstand für die Klinik AG tätig gewesen.

Dem widerspricht derweil auch Ex-Tennisstar Michael Stich. Der frühere Wimbledonsieger hat gegenüber dem Spiegel mitgeteilt, Wellinghausen habe im Frühjahr 2002 versucht, ihn für das Projekt Isar II zu interessieren. So habe der Staatsrat auch eine Zusammenarbeit der AG mit der Rückenklinik, an der Stich beteiligt ist, ins Gespräch gebracht.

Die Opposition hat gestern erneut die sofortige Entlassung des Innenstaatsrats gefordert. „Es ist nun klar, dass Wellinghausen ein weiteres Mal die Bürgerschaft und Öffentlichkeit belogen hat“, sagte GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch. Und für den innenpolitischen Sprecher der SPD, Michael Neumann, müsste Bürgermeister Ole von Beust „von Sinnen sein, wenn er nicht Wellinghausen sofort entlässt“. Auch SPD-Landeschef Olaf Scholz hat sich nun dem Chor derjenigen angeschlossen, die eine sofortige Entlassung des Staatsrats fordern. Dieser habe sich „in einem Gestrüpp von Vertuschung und Unwahrheiten verheddert“, attestiert Scholz dem ehemaligen Parteifreund Wellinghausen. Dass der Bürgermeister derweil fröhlich urlaube, offenbart, so Scholz, „in beeindruckender Weise seine Führungsschwäche“.

Von Beust kehrt heute aus dem Urlaub zurück. Ob er jedoch eine Entscheidung fällt, bevor die Senatskanzlei ihre rechtlichen Prüfungen – vermutlich zum Ende der Woche – abgeschlossen hat, ist allerdings fraglich.