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Archiv-Artikel

Abkehr von der Verteufelung des Alleinseins

Eine Ausstellung im BBK Stapelhaus thematisiert Schlagworte wie Singularität, Differenz und Isolation. Cosima Hawemann und Simon Schubert, Absolventen der Kunstakademie Düsseldorf, zeigen die Ambivalenz des Alleinigen

Einzeln ist in. Zwar sind die Kontaktanzeigen in Zeitungen und Zeitschriften noch immer voller Singles, die verzweifelt einen Partner suchen, um ihre „Einsamkeit“ zu überwinden. Aber es gibt eine Gegenbewegung. Einen Trend, der vom bloßen Verteufeln des Einzelseins wegführt und es objektiv betrachtet – mit seinen Nachteilen, aber auch mit seinen von vielen nicht wahrgenommenen guten Seiten: Seit langem beschwört die Kulturwissenschaft das Individuum, während die Pädagogik das viel geschmähte Einzelkind entdeckt.

Die Ambivalenz des Alleinigen und Schlagworte wie Singularität, Differenz oder Isolation thematisiert eine neu eröffnete Ausstellung im BBK Stapelhaus. Sie zeigt Werke von Cosima Hawemann und Simon Schubert, beide frisch gebackene Absolventen der Kunstakademie Düsseldorf und künstlerisch aus feinster Familie: Hawemann studierte Malerei bei Jörg Immendorf und A.R. Penck, Schubert erlernte das Bildhauern bei Irmin Kamp.

Der Titel der Ausstellung, „Speranza und so“, ist Programm. Speranza – so nennt Robinson seine einsame Insel in Michel Tourniers Buch „Freitag oder Im Schoß des Pazifik“, einer Adaption der bekannten Crusoe-Vorlage von Daniel Defoe. Doch auch eine gemeinsame Installation der beiden Künstler heißt „Speranza und so“: auf dem Boden ein Boot aus Styropor, an den Wänden mit Acryl übermalte Fototapeten. Giftgrün leuchtet der Himmel über einem goldenen Meer, fliederfarbene Pflanzen wuchern wie Krebsgeschwüre, daneben ein Mensch wie aus Munchs „Der Schrei“ – die einsame Insel zwischen Wunschtraum und Horror.

In Schuberts „30 m[2]“-Wohnung, einer begehbaren Installation aus mehreren Räumen, wohnt, ganz allein, ein lebensgroßer Mann aus Polyurethanschaum. Er trägt nur eine Unterhose, sieht aus wie ein selbstgebastelter Freitag aus dem Fimo-Knetkurs und betrachtet sein Spiegelbild: ein leeres weißes Blatt, in dem der Künstler die Gesichtszüge zu bloßen Falten im Papier reduziert.

Es gibt viele solcher blasser, reliefartiger Faltbilder in der Ausstellung. Eines zeigt den großen Einsamkeitsphilosophen Samuel Beckett.

Doch es geht auch bunt und dreidimensional: In einer Nische steht eine weitere Schubertsche Kunststoffskulptur, am Kopf nur Haare, keine Augen, keine Nase, nichts. Wie kann ein Einzelner zur gesichtslosen Masse werden? Der Blick geht zur Wand – zum Faltbild einer Fabrik.

Witzig und inspirierend ist diese Absolventen-Ausstellung, originell und gerade plakativ genug, um Zusammenhänge klar werden zu lassen. Kann man sich ruhig mal anschauen, gern auch allein. Holger Möhlmann

„Speranza und so“: BBK Stapelhaus, Frankenwerft 35, Köln Öffnungszeiten: Mo-Fr 10-13 und 14-17 Uhr, Di - 19 Uhr, bis 13. August