das boot. eine deutsche tauchfahrt und die folgen von WIGLAF DROSTE
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Dieser Tage sah ich sie noch einmal ungekürzt, als „Director’s Cut“: die deutsche Seemannsgrabschnulze „Das Boot“, Anfang der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts gedreht von Wolfgang Petersen, nach dem Buch des Augenklappen-Kriegers Lothar G. Buchheim. Die Legende, die Deutschen seien die wahren Helden, weil nämlich die wahren Opfer des Zweiten Weltkriegs, begann mit diesem Film, Mainstream zu werden. Heute ist das längst durchgesetzt, die Deutschen sielen sich begeistert und tränenfeucht in den erlittenen Qualen, die ihnen, den unschuldigen Mitläufern und -schwimmern des Nationalsozialismus, von den Alliierten und ihren Bombern zugefügt wurden. Nichts eint blödes Volk so wie kollektives Durchschluchzen.

Als „Das Boot“ erstmals ins Fernsehen kam, wurde die Geschichte des Dritten Reichs in den Feuilletons des Landes noch nicht so flächendeckend und nicht so ungeniert umgelogen wie heute, wo die Deutschen sich einen als Historiker auftretenden und geltenden Märchenonkel halten, der ihnen erzählt, was sie hören möchten. Verglichen mit Guido Knopps omnipräsenter Geschichtsverseichtung ist selbst die Auschwitz-Lüge ein minderes Übel – Lügen kann man widerlegen, Quark nicht. Knopp schickt Hitler rund um die Uhr auf alle Kanäle als den Mann, für den kaum ein Deutscher etwas konnte.

„Das Boot“ strickt am Mythos vom Krieg der ehrlichen, sauberen, letztlich sowieso nur das Gute wollenden Soldaten. Der Film füllt die Tränensäcke deutscher Wehrmachtsmarine- und -margarinehelden und nässt die Augen sozialdemokratisch empfindender Menschen, die auch endlich einmal ohne schlechtes Gewissen national losflennen möchten. Anlass dazu geben jährlich die Feierlichkeiten zum 20. Juli, wo sich diejenigen Landsleute an die Legende vom Widerstand klammern, die, wie sie formulieren, „zufrieden sein wollen mit diesem Land und uns selbst“. Es ist die Light-Version der letzten Worte des von Hitler wegen des verlorenen Kriegs tief enttäuschten Graf Stauffenberg: „Es lebe das heilige Deutschland!“

Der angestammte Platz für Helden ist der Heldenfriedhof. Heldengläubischen Mitmenschen empfehle ich, die Lektüre des Kinderbuchs „Mein Urgroßvater, die Helden und ich“ von James Krüss zügig nachzuholen, das jedem vernunftzugänglichen Menschen ab spätestens zehn Jahren aufwärts das Wesen jedweder dummer Heldenverehrung erklärt, und das auf die klügste Weise.

Für weniger glücklich älter Gewordene gibt es dann Filme wie „Das Boot“. Allerlei tote deutsche Soldaten sind zu bekucken in diesem sehr lang sich hinziehenden Film, der andererseits manch deutsche Filmkarriere sehr schnell und vital in Schwung brachte: Regisseur Wolfgang Petersen und sein Hauptdarsteller Jürgen Prochnow wurden von der Hollywood-Musterungskommission als tauglich eingestuft, Herbert Grönemeyer, Uwe Ochsenknecht, Heinz Hoenig und anderen erschloss ihre Teilnahme am deutschen Todesgewürge immerhin den nationalen Markt. In diesem Boot begann die Gehirnwäsche, und nach dem letzten Weichspülgang bleiben lauter gute Deutsche übrig.