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Archiv-Artikel

Aus der Vergangenheit lernen

betr.: Völkermord im Sudan

In meiner 13-jährigen Schullaufbahn wurde ich allein im Geschichtsunterricht wohl mindestens dreimal mit dem organisierten Völkermord im ja längst vergangenen Nazideutschland konfrontiert, immer mit dem lobenswerten Vorsatz, dass junge aufgeklärte Bundesbürger aus den Schrecken der Vergangenheit lernen mögen.

Heute kämpft die Bundesregierung verzweifelt im Rahmen der Vereinten Nationen um die bloße Möglichkeit von Sanktionen gegen eine Regierung im (zugegeben zumindest mental) weit entfernten Sudan, die systematisch morden und vergewaltigen lässt und zulässt … Dagegen marschiert ein amerikanischer Einzelkämpfer auf bloßen Verdacht hin in ein ölschweres Land ein, das heute mit den Konsequenzen eines undurchdachten „Demokratisierungskreuzzuges“ zu kämpfen hat.

Hierbei wird in Anbetracht der „terroristischen und islamistischen Bedrohung“ Deutschlands nicht nur angedacht die Grundrechte unserer Verfassung mit Füssen zu treten. Dafür ehrt aber ein Bundespräsident, der sein Land liebt, die Widerstandskämpfer des nationalistischen Deutschlands, während sozial Schwächeren in diesem Land langsam und mit bundeseinheitlicher Zustimmung der Boden unter den Füssen weggezogen wird. Zeitgleich droht man einem Mann, der Menschen rettet, die vor Hunger, Krankheit und Tod völlig verzweifelt in den Ozean flüchten, mit Gefängnis und einer humanitären Hilfsorganisation mit fast einheitlicher Verurteilung … Und beschließt als Konsequenz die hilfesuchenden Asylanträge eben dieser und anderer Menschen bitte schön direkt und sofort in deren Heimatländern abzuschmettern – mit Hilfe so genannter „Auffanglager“.

Ich frage mich langsam, was genau wir eigentlich aus unserer schrecklichen Vergangenheit gelernt haben sollen …

SANDRA BLUMENTHAL, Göttingen