: „Der Vorstand hätte gegensteuern müssen“
Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft, macht das Management von Daimler, Volkswagen und BMW für die derzeitigen Probleme verantwortlich. Unbezahlte Mehrarbeit müsse dennoch sein, meint er
taz: Herr Dudenhöffer, in der Debatte um unbezahlte Mehrarbeit gibt zurzeit die Automobilindustrie den Ton an. Warum sollen denn noch mehr Autos gebaut werden? Die Händler beklagen doch schon jetzt den mauen Absatz.
Ferdinand Dudenhöffer: Wir müssten dennoch mehr Autos bauen. Weltweit werden in diesem Jahr voraussichtlich 52 Millionen Pkw verkauft, das ist ein neuer Rekord.
Kommt es denn zu Engpässen in den deutschen Fabriken?
Bei den meisten nicht, aber die Nachfrage wird noch weiter steigen. Und die Frage ist, wo die Kapazitäten in der nächsten Zeit aufgebaut werden. Unternehmen, die sich erweitern wollen, gehen eben eher in kostengünstigere Länder. Deshalb haben in den letzten zehn Jahren vor allem die Zulieferer über 100.000 Stellen in Osteuropa geschaffen. Ein Teil davon wäre in Deutschland geblieben, wenn wir die Arbeitskosten im Griff gehabt hätten. Die 35-Stunden-Woche war in dieser Hinsicht ein Irrweg.
Aber das Problem bei Daimler sind doch nicht fehlende Kapazitäten.
Nein. Aber sie machen weniger Gewinn als zum Beispiel BMW. Deren Fahrzeuge kosten im Schnitt 35.000 Euro, ein Mercedes 43.000 Euro. Der Gewinn pro Auto ist aber mit 2.500 Euro gleich hoch. Da stimmt was nicht, mit den Kosten.
Oder mit dem Management. Müssen nicht die Arbeitnehmer jetzt für die Fehler bezahlen, die zum Beispiel bei dem Projekt „Welt AG“ gemacht wurden?
In der Tat wurden in der Vergangenheit Entscheidungen getroffen, die man heute nicht mehr treffen würde. Die Fusion mit Chrysler hat viel an Aktienwert vernichtet, auch der Einstieg bei Mitsubishi war eine falsche Entscheidung. Aber das hat nichts mit den Fertigungskosten bei Mercedes zu tun.
Was könnte denn Mercedes von BMW lernen?
BMW versucht seit 20 Jahren, möglichst viele gleiche Teile in alle seine Fahrzeuge einzubauen. Der 1er- und 3er-BMW sind zu rund 60 Prozent gleich. Bei der A- und C-Klasse ist die Quote deutlich niedriger. Zudem arbeitet BMW mit einer geringeren Fertigungstiefe. Bei Mercedes werden noch 35 Prozent des Produktionswerts des Fahrzeugs im Hause hergestellt, der Rest kommt von günstigeren Zulieferern. Bei BMW liegt die Quote bei 25 Prozent, beim Porsche Cayenne sind es noch nicht mal 10 Prozent.
Das würde aber einen Arbeitsplatzabbau bei Mercedes bedeuten.
Zumindest würden keine neuen hinzukommen. Aber Mercedes kann sich nicht erlauben, wie vor 30 Jahren zu arbeiten. Und es kann auch nicht sein, dass die Arbeitskosten bei der Produktion eines Autos am Nachmittag 20 Prozent teurer sind als am Vormittag. Da hätte der Vorstand früher gegensteuern müssen.
Volkswagen hat in vielen Autos die gleiche Plattform und kreative Arbeitszeitmodelle. Dennoch sollen die Produktionskosten müssen nun um 30 Prozent gedrückt werden. Was ist da schief gelaufen?
Das sind vor allem Erblasten des früheren Vorstandschefs Piëch. Der Ausflug in die Luxusklasse ist ein riesengroßes Minusgeschäft. Allein der „Phaeton“ fährt insgesamt 1 Milliarde Verlust ein. Dann wurde versäumt, mehr Varianten eines Modells anzubieten. So wie die französischen Hersteller das machen, mit Cabrios, Coupés und Vans zusätzlich zum Basismodell.
Das alles sind doch Fehlentscheidungen der Vorstandsetagen. Eine längere Arbeitszeit kann das nicht aufwiegen.
VW kämpft ja an allen Fronten. Und muss seine Kosten mit Toyota oder Peugeot vergleichen. Die bauen zurzeit ihre Fabriken in Osteuropa auf. Die deutschen Unternehmen stehen rundherum im Wettbewerb. Und wenn wir eine Stunde pro Tag mehr arbeiten ohne Lohnausgleich, kriegen wir die Kosten nach unten.
Sollte nicht lieber eine Stunde mehr am Tag für Kreativität genutzt werden? Der Dieselrußfilter zum Beispiel ist bei französischen Autos Standard, die deutschen Konzerne sperren sich.
Das stimmt, den Partikelfilter hätten die deutschen Ingenieure viel eher aufgreifen müssen. Ein anderes Beispiel ist die Hybrid-Technologie, bei der Toyota sehr stark ist. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir schlecht sind bei Innovationen. Die großen Entwicklungen im Sicherheitsbereich stammen aus Deutschland.INTERVIEW: STEPHAN KOSCH