: Lange Leitung, brüchiges Netz
Das Dunkel kam aus Ohio: Der Ausfall von Stromleitungen dort löste eine Kettenreaktion aus. Die US-Energieversorger haben keinen Anreiz, ins Netz zu investieren. Eine Gesetzesinitiative könnte das ändern
NEW YORK/BERLIN taz ■ Drei fehlerhafte Stromleitungen im US-Bundesstaat Ohio südlich des Eriesees haben wahrscheinlich den Maxistromausfall in den USA und Kanada verursacht. Das erklärte der US-Elektrizitätsexperte Michehl Gent. In einer Kettenreaktion hätten sich danach mehr als 20 Kraftwerke automatisch abgeschaltet. Der schlechte Zustand der Leitungen hat nun eine Diskussion in Gang gesetzt, welche Regulierung der US-Strommarkt braucht.
Dass die Deregulierung zu den Problemen beigetragen hat, räumt Gent ein. Er ist der Leiter der Organisation des Nordamerikanischen Rats für Elektrische Sicherheit (North American Electric Reliability Council, Nerc) der das Elektrizitätssystem überwachen soll. „Wir haben hinreichende Kapazitäten bei der Stromerzeugung, aber nicht bei der Übertragung“, so Gent. Nicht eine ungewöhnlich hohe Nachfrage war also Hauptursache des Blackouts am Donnerstag – wenn auch der steigende Stromverbrauch dazu beigetragen hat.
Im Rahmen der Deregulierung in den Neunzigerjahren wurden in zahlreichen US-Bundesstaaten Stromerzeugung und Versorgungsnetz getrennt. Die Kraftwerke sind seither im Besitz von privaten Unternehmen, während aber die örtlichen Energieversorger nach wie vor unter staatlicher Aufsicht stehen. Während die Stromerzeuger, die an jeder gelieferten Kilowattstunde verdienen, somit einen Anreiz haben, immer mehr Elektrizität zu erzeugen, haben die Energieversorger keinerlei Anreiz mehr, in neue Überlandleitungen zu investieren. Sie bekämen nämlich nicht einmal ihre Kosten herein, weil die politischen Aufseher die Energieversorger daran hindern, die Endpreise für die Verbraucher zu erhöhen.
Vor der Deregulierung haben einige der alten Gebietsmonopole noch kräftig in Energiesparmaßnahmen investiert, weil das billiger war, als immer neue Kraftwerke und Leitungen zu bauen. Damit ist es unter dem neuen System vorbei. Der Energieverbrauch stieg seit 1990 um 25 Prozent. Ein Energiehandel quer durch die USA entstand – mit Firmen wie Enron an der Spitze. Das Leitungsnetz operiert schon längst an seiner Kapazitätsgrenze und ist entsprechend störanfällig.
Nach fast zweijähriger Blockade kommt deshalb jetzt ein Gesetzesvorschlag zu neuen Ehren, den die Demokraten noch zu Zeiten ihrer Mehrheit in den Kongress einbrachten. Dieser soll dazu führen, die Kapazität der Überlandnetze auszubauen. Bislang lag die Initiative auf Eis, weil Demokraten und Republikaner in der Energiepolitik keinen gemeinsamen Nenner fanden.
Die Republikaner legen in der aktuellen Debatte großen Wert darauf, den Einfluss der Zentralmacht zu stärken. In ihren Vorstellungen gibt es ein Bundesinstitut für die Überwachung des Strommarktes, das in die Kompetenzen der einzelnen Bundesstaaten hineinregieren darf – was dort freilich wenig Begeisterung hervorruft. NICOLA LIEBERTHANNES KOCH